Das Schloß
war. Daß die Zeit nicht ausreichen werde, davor müsse man sich nicht fürchten, ein kurzes Gespräch, ein kurzes Beisammensein genüge und holen müsse Hans K. nicht. K. werde irgendwo in der Nähe des Hauses versteckt warten und auf ein Zeichen Hansens werde er gleich kommen. Nein, sagte Hans, beim Haus warten dürfe K. nicht – wieder war es die Empfindlichkeit wegen seiner Mutter die ihn beherrschte – ohne Wissen der Mutter dürfe K. sich nicht auf den Weg machen, in ein solches vor der Mutter geheimes Einverständnis dürfe Hans mit K. nicht eintreten, er müsse K. aus der Schule holen und nicht früher, ehe es die Mutter wisse und erlaube. Gut, sagte K., dann sei es wirklich gefährlich, es sei dann möglich, daß der Vater ihn im Hause ertappen werde und wenn schon dies nicht geschehen sollte, so wird doch die Mutter in Angst davor K. überhaupt nicht kommen lassen und so werde doch alles am Vater scheitern. Dagegen wehrte sich wieder Hans und so ging der Streit hin und her. Längst schon hatte K. Hans aus der Bank zum Katheder gerufen, hatte ihn zu sich zwischen die Knie gezogen und streichelte ihn manchmal begütigend. Diese Nähe trug auch dazu bei, trotz Hansens zeitweiligem Widerstreben ein Einvernehmen herzustellen. Man einigte sich schließlich auf Folgendes: Hans werde zunächst der Mutter die volle Wahrheit sagen, jedoch, um ihr die Zustimmung zu erleichtern, hinzufügen daß K. auch mit Brunswick selbst sprechen wolle, allerdings nicht wegen der Mutter, sondern wegen seiner Angelegenheiten. Dies war auch richtig, im Laufe des Gespräches war es K. eingefallen, daß ja Brunswick, mochte er auch sonst ein gefährlicher und böser Mensch sein, sein Gegner eigentlich nicht sein konnte, war er doch, wenigstens nach dem Bericht des Gemeindevorstehers, der Führer derjenigen gewesen, welche, sei es auch aus politischen Gründen, die Berufung eines Landvermessers verlangt hatten. K.’s Ankunft im Dorf mußte also für Brunswick willkommen sein; dann war allerdings die ärgerliche Begrüßung am ersten Tag und die Abneigung, von der Hans sprach, fast unverständlich, vielleicht aber war Brunswick gerade deshalb gekränkt, weil sich K. nicht zuerst an ihn um Hilfe gewendet hatte, vielleicht lag ein anderes Mißverständnis vor, das durch paar Worte aufgeklärt werden konnte. Wenn das aber geschehen war, dann konnte K. in Brunswick recht wohl einen Rückhalt gegenüber dem Lehrer, ja sogar gegenüber dem Gemeindevorsteher bekommen, der ganze amtliche Trug – was war es denn anderes? – mit welchem der Gemeindevorsteher und der Lehrer ihn von den Schloßbehörden abhielten und in die Schuldienerstellung zwängten, konnte aufgedeckt werden, kam es neuerlich zu einem um K. geführten Kampf zwischen Brunswick und dem Gemeindevorsteher mußte Brunswick K. an seine Seite ziehn, K. würde Gast in Brunswicks Hause werden, Brunswicks Machtmittel würden ihm zur Verfügung gestellt werden, dem Gemeindevorsteher zum Trotz, wer weiß wohin er dadurch gelangen würde und in der Nähe der Frau würde er jedenfalls häufig sein – so spielte er mit den Träumen und sie mit ihm, während Hans, nur in Gedanken an die Mutter, das Schweigen K.’s sorgenvoll beobachtete, so wie man es gegenüber einem Arzte tut, der in Nachdenken versunken ist, um für einen schweren Fall ein Hilfsmittel zu finden. Mit diesem Vorschlag K.’s, daß er mit Brunswick wegen der Landvermesseranstellung sprechen wolle, war Hans einverstanden, allerdings nur deshalb weil dadurch seine Mutter vor dem Vater geschützt war und es sich überdies nur um einen Notfall handelte, der hoffentlich nicht eintreten würde. Er fragte nur noch, wie K. die späte Stunde des Besuches dem Vater erklären würde und begnügte sich schließlich, wenn auch mit ein wenig verdüstertem Gesicht damit, daß K. sagen würde, die unerträgliche Schuldienerstellung und die entehrende Behandlung durch den Lehrer habe ihn in plötzlicher Verzweiflung alle Rücksicht vergessen lassen.
Als nun auf diese Weise alles, soweit man sehen konnte, vorbedacht und die Möglichkeit des Gelingens doch wenigstens nicht mehr ausgeschlossen war, wurde Hans, von der Last des Nachdenkens befreit, fröhlicher, plauderte noch ein Weilchen kindlich zuerst mit K. und dann auch mit Frieda, die lange wie in ganz andern Gedanken dagesessen war und jetzt erst wieder an dem Gespräch teilzunehmen begann. Unter anderem fragte sie ihn was er werden wolle, er überlegte nicht viel und sagte, er
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