Das Schloß
wolle ein Mann werden wie K. Als er dann nach seinen Gründen gefragt wurde, wußte er freilich nicht zu antworten und die Frage, ob er etwa Schuldiener werden wolle, verneinte er mit Bestimmtheit. Erst als man weiter fragte, erkannte man, auf welchem Umweg er zu seinem Wunsche gekommen war. Die gegenwärtige Lage K.’s war keineswegs beneidenswert, sondern traurig und verächtlich, das sah auch Hans genau und er brauchte um das zu erkennen gar nicht andere Leute zu beobachten, er selbst hätte ja am liebsten die Mutter vor jedem Blick und Wort K.’s bewahren wollen. Trotzdem aber kam er zu K. und bat ihn um Hilfe und war glücklich wenn K. zustimmte, auch bei andern Leuten glaubte er ähnliches zu erkennen, und vor allem hatte doch die Mutter selbst K. erwähnt. Aus diesem Widerspruch entstand in ihm der Glaube, jetzt sei zwar K. noch niedrig und abschreckend, aber in einer allerdings fast unvorstellbar fernen Zukunft werde er doch alle übertreffen. Und eben diese geradezu törichte Ferne und die stolze Entwicklung, die in sie führen sollte, lockte Hans; um diesen Preis wollte er sogar den gegenwärtigen K. in Kauf nehmen. Das besonders kindlich-altkluge dieses Wunsches bestand darin, daß Hans auf K. herabsah wie auf einen Jüngeren, dessen Zukunft sich weiter dehne, als seine eigene, die Zukunft eines kleinen Knaben. Und es war auch ein fast trüber Ernst mit dem er, durch Fragen Friedas immer wieder gezwungen, von diesen Dingen sprach. Erst K. heiterte ihn wieder auf, als er sagte, er wisse, um was ihn Hans beneide, es handle sich um seinen schönen Knotenstock, der auf dem Tisch lag und mit dem Hans zerstreut im Gespräch gespielt hatte. Nun, solche Stöcke verstehe K. herzustellen und er werde, wenn ihr Plan geglückt sei, Hans einen noch schöneren machen. Es war jetzt nicht mehr ganz deutlich, ob nicht Hans wirklich nur den Stock gemeint hatte, so sehr freute er sich über K.’s Versprechen und nahm fröhlich Abschied, nicht ohne K. fest die Hand zu drücken und zu sagen: »Also übermorgen.«
14 Friedas Vorwurf
Es war höchste Zeit, daß Hans weggegangen war, denn kurz darauf riß der Lehrer die Tür auf und schrie, als er K. und Frieda ruhig bei Tisch sitzen sah: »Verzeiht die Störung! Aber sagt mir, wann wird endlich hier aufgeräumt sein. Wir müssen drüben zusammengepfercht sitzen, der Unterricht leidet, Ihr aber dehnt und streckt Euch hier im großen Turnzimmer und um noch mehr Platz zu haben, habt Ihr auch noch die Gehilfen weggeschickt. Jetzt aber steht wenigstens gefälligst auf und rührt Euch!« Und nur zu K.: »Du holst mir jetzt das Gabelfrühstück aus dem Brückenhof.« Das alles war wütend geschrien, aber die Worte waren verhältnismäßig sanft, selbst das an sich grobe Du. K. war sofort bereit zu folgen, nur um den Lehrer auszuhorchen sagte er: »Ich bin doch gekündigt.« »Gekündigt oder nicht gekündigt, hol mir das Gabelfrühstück«, sagte der Lehrer. »Gekündigt oder nicht gekündigt, das eben will ich wissen«, sagte K. »Was schwätzt Du?« sagte der Lehrer, »Du hast doch die Kündigung nicht angenommen.« »Das genügt um sie unwirksam zu machen?« fragte K. »Mir nicht«, sagte der Lehrer, »das darfst Du mir glauben, wohl aber dem Gemeindevorsteher, unbegreiflicher Weise. Nun aber lauf, sonst fliegst Du wirklich hinaus.« K. war zufrieden, der Lehrer hatte also mit dem Gemeindevorsteher inzwischen gesprochen, oder vielleicht gar nicht gesprochen sondern nur des Gemeindevorstehers voraussichtliche Meinung sich zurechtgelegt und diese lautete zu K.’s Gunsten. Nun wollte K. gleich um das Gabelfrühstück eilen, aber noch aus dem Gang rief ihn der Lehrer wieder zurück, sei es daß er die Dienstwilligkeit K.’s durch diesen besonderen Befehl nur hatte erproben wollen, um sich danach weiterhin richten zu können, sei es daß er nun wieder neue Lust zum Kommandieren bekam und es ihn freute, K. eilig laufen und dann auf seinen Befehl hin wie einen Kellner ebenso eilig wieder wenden zu lassen. K. seinerseits wußte, daß er durch allzugroßes Nachgeben sich zum Sklaven und Prügeljungen des Lehrers machen würde, aber bis zu einer gewissen Grenze wollte er jetzt die Launen des Lehrers geduldig hinnehmen, denn wenn ihm auch der Lehrer, wie sich gezeigt hatte, rechtmäßig nicht kündigen konnte, qualvoll bis zum Unerträglichen konnte er die Stellung gewiß machen. Aber gerade an dieser Stellung lag jetzt K. mehr als früher. Das Gespräch mit Hans hatte ihm neue,
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