Das Schloß
mit kindlicher Unschuld so gemischt, daß man sich ihm halb aufrichtig halb scherzend gern unterwarf. Jedenfalls nahm er alle Aufmerksamkeit für sich in Anspruch, alle Arbeit hatte aufgehört, das Frühstück zog sich sehr in die Länge. Trotzdem er in der Schulbank saß, K. oben auf dem Kathedertisch, Frieda auf einem Sessel nebenan, sah es aus, als sei Hans der Lehrer, als prüfe er und beurteile die Antworten, ein leichtes Lächeln um seinen weichen Mund schien anzudeuten, daß er wohl wisse, es handle sich nur um ein Spiel, aber desto ernsthafter war er im übrigen bei der Sache, vielleicht war es auch gar kein Lächeln, sondern das Glück der Kindheit, das die Lippen umspielte. Auffallend spät erst hatte er zugegeben, daß er K. schon kannte, seitdem dieser einmal bei Lasemann eingekehrt war. K. war glücklich darüber. »Du spieltest damals zu Füßen der Frau?« fragte K. »Ja«, sagte Hans, »es war meine Mutter.« Und nun mußte er von seiner Mutter erzählen, aber er tat es nur zögernd und erst auf wiederholte Aufforderung, es zeigte sich nun doch, daß er ein kleiner Junge war, aus dem zwar manchmal besonders in seinen Fragen, vielleicht im Vorgefühl der Zukunft, vielleicht aber auch nur infolge der Sinnestäuschung des unruhig-gespannten Zuhörers fast ein energischer kluger weitblickender Mann zu sprechen schien, der dann aber gleich darauf ohne Übergang nur ein Schuljunge war, der manche Fragen gar nicht verstand, andere mißdeutete, der in kindlicher Rücksichtslosigkeit zu leise sprach, trotzdem er oft auf den Fehler aufmerksam gemacht worden war und der schließlich wie aus Trotz gegenüber manchen dringenden Fragen vollkommen schwieg, undzwar ganz ohne Verlegenheit, wie es ein Erwachsener niemals könnte. Es war überhaupt, wie wenn seiner Meinung nach nur ihm das Fragen erlaubt sei, durch das Fragen der andern aber irgendeine Vorschrift durchbrochen und Zeit verschwendet würde. Er konnte dann lange Zeit stillsitzen mit aufrechtem Körper, gesenktem Kopf, aufgeworfener Unterlippe. Frieda gefiel das so, daß sie ihm öfters Fragen stellte, von denen sie hoffte, daß sie ihn auf diese Weise verstummen lassen würden. Es gelang ihr auch manchmal, aber K. ärgerte es. Im Ganzen erfuhr man wenig, die Mutter war ein wenig kränklich, aber was für eine Krankheit es war, blieb unbestimmt, das Kind, das Frau Brunswick auf dem Schooß gehabt hatte, war Hansens Schwester und hieß Frieda (die Namensgleichheit mit der ihn ausfragenden Frau nahm Hans unfreundlich auf), sie wohnten alle im Dorf, aber nicht bei Lasemann, sie waren dort nur zu Besuch gewesen um gebadet zu werden, weil Lasemann das große Schaff hatte, in dem zu baden und sich herumzutreiben den kleinen Kindern, zu denen aber Hans nicht gehörte, ein besonderes Vergnügen machte; von seinem Vater sprach Hans ehrfurchtsvoll oder ängstlich, aber nur wenn nicht gleichzeitig von der Mutter die Rede war, gegenüber der Mutter war des Vaters Wert offenbar klein, übrigens blieben alle Fragen über das Familienleben wie immer man auch heranzukommen suchte unbeantwortet, vom Gewerbe des Vaters erfuhr man daß er der größte Schuster des Ortes war, keiner war ihm gleich, wie öfters auch auf ganz andere Fragen hin wiederholt wurde, er gab sogar den andern Schustern, z.B. auch dem Vater des Barnabas Arbeit, in diesem letztern Fall tat es Brunswick wohl nur aus besonderer Gnade, wenigstens deutete dies die stolze Kopfwendung Hansens an, welche Frieda veranlaßte zu ihm hinunterzuspringen und ihm einen Kuß zu geben. Die Frage, ob er schon im Schloß gewesen sei, beantwortete er erst nach vielen Wiederholungen undzwar mit ‚Nein›, die gleiche Frage hinsichtlich der Mutter beantwortete er gar nicht. Schließlich ermüdete K., auch ihm schien das Fragen unnütz, er gab darin dem Jungen recht, auch war darin etwas Beschämendes, auf dem Umweg über das unschuldige Kind Familiengeheimnisse ausforschen zu wollen, doppelt beschämend allerdings war, daß man auch hier nichts erfuhr. Und als dann K. zum Abschluß den Jungen fragte, worin er denn zu helfen sich anbiete, wunderte er sich nicht mehr zu hören, daß Hans nur hier bei der Arbeit helfen wolle, damit der Lehrer und die Lehrerin mit K. nicht mehr so zankten. K. erklärte Hans, daß eine solche Hilfe nicht nötig sei, Zanken gehöre wohl zu des Lehrers Natur und man werde wohl auch durch genaueste Arbeit sich kaum davor schützen können, die Arbeit selbst sei nicht schwer und nur infolge
Weitere Kostenlose Bücher