Das Schloß
vergleiche nur, weil Du Dich gegen den Vergleich wehrst. Klamm ist doch wie ein Kommandant über den Frauen, befiehlt bald dieser bald jener zu ihm zu kommen, duldet keine lange und so wie er zu kommen befiehlt, befiehlt er auch zu gehn. Ach, Klamm würde sich gar nicht die Mühe geben erst einen Brief zu schreiben. Und ist es nun im Vergleich damit noch immer ungeheuerlich, wenn der ganz zurückgezogen lebende Sortini, dessen Beziehungen zu Frauen zumindest unbekannt sind, einmal sich niedersetzt und in seiner schönen Beamtenschrift einen allerdings abscheulichen Brief schreibt. Und wenn sich also hier kein Unterschied zu Klamms Gunsten ergibt, sondern das Gegenteil, so sollte ihn Friedas Liebe bewirken? Das Verhältnis der Frauen zu den Beamten ist, glaube mir, sehr schwer oder vielmehr immer sehr leicht zu beurteilen. Hier fehlt es an Liebe nie. Unglückliche Beamtenliebe gibt es nicht. Es ist in dieser Hinsicht kein Lob, wenn man von einem Mädchen sagt, – ich rede hier beiweitem nicht nur von Frieda – daß sie sich dem Beamten nur deshalb hingegeben hat, weil sie ihn liebte. Sie liebte ihn und hat sich ihm hingegeben, so war es, aber zu loben ist dabei nichts. Amalia aber hat Sortini nicht geliebt, wendest Du ein. Nun ja, sie hat ihn nicht geliebt, aber vielleicht hat sie ihn doch geliebt, wer kann das entscheiden? Nicht einmal sie selbst. Wie kann sie glauben ihn geliebt zu haben, wenn sie ihn so kräftig abgewiesen hat, wie wahrscheinlich noch niemals ein Beamter abgewiesen worden ist. Barnabas sagt, daß sie noch jetzt manchmal zittert von der Bewegung mit der sie vor drei Jahren das Fenster zugeschlagen hat. Das ist auch wahr und deshalb darf man sie nicht fragen; sie hat mit Sortini abgeschlossen und weiß nichts mehr als das; ob sie ihn liebt oder nicht, weiß sie nicht. Wir aber wissen, daß Frauen nicht anders können, als Beamte zu lieben wenn sich diese ihnen einmal zuwenden, ja sie lieben die Beamten schon vorher, so sehr sie es leugnen wollen, und Sortini hat sich Amalia ja nicht nur zugewendet, sondern ist über die Deichsel gesprungen, als er Amalia sah, mit den von der Schreibtischarbeit steifen Beinen ist er über die Deichsel gesprungen. Aber Amalia ist ja eine Ausnahme, wirst Du sagen. Ja, das ist sie, das hat sie bewiesen, als sie sich weigerte zu Sortini zu gehn, das ist der Ausnahme genug; daß sie nun aber außerdem Sortini auch nicht geliebt haben sollte, das wäre nun schon der Ausnahme fast zu viel, das wäre gar nicht mehr zu fassen. Wir waren ja gewiß an jenem Nachmittag mit Blindheit geschlagen, aber daß wir damals durch allen Nebel etwas von Amalias Verliebtheit zu bemerken glaubten, zeigte wohl doch noch etwas Besinnung. Wenn man aber das alles zusammenhält, was bleibt dann für ein Unterschied zwischen Frieda und Amalia? Einzig der, daß Frieda tat, was Amalia verweigert hat.« »Mag sein«, sagte K., »für mich aber ist der Hauptunterschied der, daß Frieda meine Braut ist, Amalia aber mich im Grunde nur so weit bekümmert, als sie die Schwester des Barnabas, des Schloßboten ist und ihr Schicksal in den Dienst des Barnabas vielleicht mitverflochten ist. Hätte ihr ein Beamter ein derart schreiendes Unrecht getan, wie es nach Deiner Erzählung anfangs mir schien, hätte mich das sehr beschäftigt, aber auch dies viel mehr als öffentliche Angelegenheit, denn als persönliches Leid Amalias. Nun ändert sich aber nach Deiner Erzählung das Bild in einer mir zwar nicht ganz verständlichen, aber, da Du es bist, die erzählt, in einer genügend glaubwürdigen Weise und ich will diese Sache deshalb sehr gern völlig vernachlässigen, ich bin kein Feuerwehrmann, was kümmert mich Sortini. Wohl aber kümmert mich Frieda und da ist es mir sonderbar, wie Du, der ich völlig vertraute und gerne immer vertrauen will, auf dem Umweg über Amalia immerfort Frieda anzugreifen und mir verdächtig zu machen suchst. Ich nehme nicht an, daß Du das mit Absicht oder gar mit böser Absicht tust, sonst hätte ich doch schon längst fortgehn müssen, Du tust es nicht mit Absicht, die Umstände verleiten Dich dazu, aus Liebe zu Amalia willst Du sie hocherhaben über alle Frauen hinstellen und da Du in Amalia selbst zu diesem Zwecke nicht genug Rühmenswertes findest, hilfst Du Dir damit, daß Du andere Frauen verkleinerst. Amalias Tat ist merkwürdig, aber je mehr Du von dieser Tat erzählst, desto weniger läßt sich entscheiden ob sie groß oder klein, klug oder töricht, heldenhaft oder
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