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Das Schmetterlingsmädchen - Roman

Das Schmetterlingsmädchen - Roman

Titel: Das Schmetterlingsmädchen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Moriarty
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bilden. Ein dichter Pony endete abrupt über den Augenbrauen. Viola hatte recht. Bei aller Ähnlichkeit mit ihrer Mutter sah dieses Mädchen aus wie niemand sonst.
    »Martin hat mich geschlagen«, sagte sie.
    »Geschlagen?«, fragte Myra. »Oder dir einen Klaps gegeben? Nach all den Jahren des Zusammenlebens mit euch kann ich den Unterschied erkennen, sogar ein Stockwerk weiter unten.«
    »Jetzt ist eine Stelle da!« Louise hob den Ärmel ihres cremefarbenen Kleides und gab den Blick auf einen Hautfleck frei, der nicht nur rot war, sondern oben bläulich zu schimmern begann. Cora schnappte nach Luft. Louise sah kurz zu ihr.
    »Er ist größer als ich. Er ist älter. Und er war in meinem Zimmer und hat mein Tagebuch gelesen! Wie kannst du ihm eine solche Gemeinheit durchgehen lassen?« Sie zeigte auf ihren Arm. »Und Brutalität!«
    Myra, die sich über die dramatischen Worte ihrer Tochter zu amüsieren schien, lächelte leicht. Aber Cora hielt beide Fragen für gerechtfertigt. Das Mädchen hatte einen hässlichen Bluterguss auf dem Arm. Wenn dieser Martin älter als Louise war, musste er ungefähr im Alter der Zwillinge sein, und sie konnte sich nicht vorstellen, dass Howard oder Earle ein jüngeres Mädchen oder überhaupt ein Mädchen schlagen würden. So etwas würden sie einfach nie tun. Und selbst wenn einer von ihnen die Beherrschung verlor und so etwas machte, würde er sich deswegen vor Cora und auch Alan verantworten müssen, die einen derartigen Vorfall wesentlich ernster nehmen würden als die lächelnde Frau, die ihr gegenübersaß.
    »Die Gemeinheit und Brutalität deines Bruders sind bald nicht mehr dein Problem«, sagte Myra und unterdrückte ein Gähnen. »Und dank dieser Dame hier kannst du dein kostbares Tagebuch in New York in Sicherheit bringen. Louise, ich möchte dir Cora Carlisle vorstellen.«
    Das Mädchen sah Cora an. Sie sagte nichts, aber ihr Gesichtsausdruck war eine eigenartige Mischung aus Widerwillen und Gönnerhaftigkeit. Cora konnte sich nicht vorstellen, was an ihr derartige Gefühle hervorrief. Sie hatte darauf geachtet, sich für diesen Besuch sorgfältig zu kleiden, und trug ein schlichtes, aber modisches Kleid und sogar eine lange Perlenkette. Sie war mit Sicherheit genauso elegant angezogen wie Myra. Aber die Verachtung in den Augen des Mädchens war nicht zu übersehen. Diesen Ausdruck hatte ein Kind, wenn es den Broccoli ansah, den es vor dem Dessert aufessen musste, oder das Zimmer, das vor dem Spielen aufgeräumt werden musste. Es war ein Blick voller Ablehnung, der durch die Jugend und Schönheit des Mädchens, ihre helle Haut und ihren Schmollmund noch eindringlicher wirkte. Cora spürte, dass sie errötete. Sie war seit Jahren nicht mehr Gegenstand einer derartigen Überheblichkeit gewesen.
    Sie stand rasch auf und streckte ihre Hand aus. »Hallo«, sagte sie lächelnd und sah dem Mädchen direkt in die Augen. Der Größenunterschied würde hilfreich sein, dachte sie bei sich. »Wie schön, dich kennenzulernen. Ich hoffe, dass eine wundervolle Reise vor uns liegt.«
    »Sehr erfreut«, murmelte das Mädchen, das nicht halb so gut lügen konnte wie seine Mutter. Sie erwiderte Coras Händedruck mit schlaffem Griff und presste ihre Hand wieder an ihren verletzten Arm.
    »Das mit deinem Arm tut mir leid. Sieht schlimm aus.«
    Es war nur die Wahrheit, aber sie sagte es freundlich, und es war, als hätte sie einen unsichtbaren Schlüssel gedreht. Die schönen Augen füllten sich erneut mit Tränen und schienen Cora noch einmal zu betrachten.
    »Danke«, sagte sie. »Es tut wirklich weh.«
    »Sie hat noch nie von Denishawn gehört«, bemerkte Myra, die immer noch saß und ihre Tochter erwartungsvoll anlächelte. Cora spürte, wie sich erste Anzeichen einer heftigen Abneigung in ihr regten.
    »Wirklich nicht?« Auch Louise wirkte fassungslos.
    »Nein«, sagte Cora. Sie hoffte, wenn sie dabei blieb, würden die anderen vielleicht nicht mehr fragen.
    Das Mädchen und seine Mutter wechselten einen Blick. Sie starrten Cora aus den gleichen dunklen Augen an und sahen sich auf einmal ähnlicher als vorher.
    »Warum wollen Sie dann dorthin?«, fragte Myra freundlich, obwohl ihr Lächeln frostig wirkte. »Was zieht Sie nach New York?«
    Cora schluckte. Mit dieser Frage hätte sie rechnen und sich eine Antwort zurechtlegen sollen. Vage Assoziationen mit New York City gingen ihr durch den Kopf: die Freiheitsstatue. Einwanderer. Alkoholschmuggler. Mietskasernen. Der Broadway.
    »Ich liebe

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