Das Schmetterlingsmädchen - Roman
Louise verkündete, auch hingehen zu wollen. Als Cora nun mit leise klickenden Absätzen über den Marmorboden eilte, kam ihr der Gedanke, dass das Mädchen absichtlich allein gegangen war.
Dieser Verdacht schien sich zu bestätigen, als sie bei einem Schuhputzer um die Ecke bog und Louise entdeckte. Das Mädchen lehnte an der Wand und trank Coca-Cola direkt aus der Flasche. Ein hochgewachsener Junge in flottem Mantel und Kappe stand neben ihr und stützte sich mit einem Arm an der Wand ab, um Louise zu betrachten, ein Anblick, den er sichtlich genoss.
»Louise! Da bist du ja!«
Beide sahen auf. Louise nahm seufzend den Strohhalm aus dem Mund. Der Junge war, wie Cora jetzt bemerkte, eher ein junger Mann, vielleicht Ende zwanzig, mit blonden Bartstoppeln am Kinn. Grenzenlose Enttäuschung zeigte sich in seinen hellen Augen, als er Cora näher begutachtete.
Cora sah Louise an. »Ich hatte Angst, dass du dich vielleicht verirrt hast«, sagte sie. Schon im nächsten Moment bereute sie die offenkundige Lüge.
Louise nickte. Ohne den Mann noch eines Blickes zu würdigen, ging sie rasch auf Cora zu. Sie trug ein wadenlanges elfenbeinfarbenes Kleid mit großem Bubikragen, keinen Hut und sehr hohe Absätze, so hoch, dass ihr Kopf fast auf einer Höhe mit Coras war. Sie lächelte, aber ihre Augen fixierten Coras Gesicht und versuchten unverkennbar, darin zu lesen. »Willst du mir Ärger machen?«, schien sie zu fragen. »Gleich von Anfang an? Obwohl wir so gut zurechtkommen könnten?«
»Er ist bloß ein alter Schulfreund.«
Cora erwiderte nichts darauf. Die Erklärung wirkte wesentlich wahrscheinlicher als die Möglichkeit, dass Louise es innerhalb einer halben Stunde geschafft hatte, einen wildfremden Mann, vielleicht von außerhalb, kennenzulernen und sich von ihm auf eine Cola einladen zu lassen. Aber ob es wirklich stimmte, ließ sich unmöglich feststellen, und es schien unklug, einen Streit zu beginnen, den sie nicht gewinnen konnte.
»Wir sollten lieber zurückgehen«, sagte Cora freundlich. »Wir steigen bald ein.«
»Möchten Sie einen Schluck?« Louise hielt ihr die Flasche hin.
Cora schüttelte den Kopf. Wenn sie erst einmal in New York waren, hatte sich die Frage alter Bekannter erledigt, und sie würde in einer besseren Position sein, um Louise zu erklären, welche Risiken – für ihre Person und ihren Ruf – es barg, sich von einem Fremden einladen zu lassen. Sie war noch ein Kind, rief Cora sich in Erinnerung. Mutterlos, hatte Viola gesagt. Wahrscheinlich sehnte sie sich nach Rückhalt. Immerhin war das Mädchen aus eigenem Antrieb zur Sonntagsschule gegangen. Sie brauchte einfach Aufmerksamkeit und Belehrung. Und sowie sie im Zug saßen, würde Cora sie mit beidem versorgen.
Sie verabschiedete sich auf dem Bahnsteig von Alan. Die Sonne blendete zu stark, als dass sie zu ihm hätte aufblicken können, deshalb sah sie auf ihre Hände, die in seinen lagen. Sie waren schon früher voneinander getrennt gewesen. Als die Jungs klein waren, war sie mit ihnen zu seiner Schwester und ihren Kindern nach Lawrence gefahren, während Alan in Wichita blieb und arbeitete. Aber sie war noch nie einen ganzen Monat weg gewesen. Und noch nie so weit entfernt.
»Das Gepäck ist aufgegeben«, sagte er. »Es sollte am Abend eurer Ankunft abgeliefert werden. Sag mir auf jeden Fall Bescheid, falls du etwas brauchst.« Er sprach leise, vielleicht weil er nicht wollte, dass Leonard Brooks auf den Gedanken kam, er hätte irgendetwas übersehen. »Auf jeden Fall«, wiederholte er. »Was es auch ist.«
Sie nickte und hielt ihm, als sie spürte, dass sein Gesicht nach unten wanderte, ihre Wange für einen Kuss hin. Über seine Schulter hinweg sah sie, dass Louise unverfroren zuschaute, eine Hand zum Schutz gegen die Sonne unter ihre glatten Stirnfransen gelegt. Ihre Blicke kreuzten sich, und die Augen des Mädchens wurden schmal. Cora wandte den Blick ab.
»Und du machst schön, was Mrs. Carlisle sagt«, ermahnte Leonard Brooks seine Tochter, sprach aber laut genug, um auch von Cora und Alan gehört zu werden. Er wippte auf den Zehen und hakte seine Daumen in seine Hosenträger. Mit ihren hohen Absätzen war seine Tochter größer als er. »Ich verlasse mich darauf, ausschließlich Berichte über deine harte Arbeit und dein gutes Benehmen zu bekommen.«
Louise neigte den Kopf und sah auf ihn hinunter, ihre kleine Reisetasche mit beiden Händen hinter ihrem Rücken haltend. »Ganz bestimmt, Dad. Ich verspreche es.« Sie sah
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