Das schoenste Maedchen der Welt
vierzehn.“
*
Hugo schleicht wieder die Treppen zum Erdgeschoß hinunter. Gut, daß er seinen Stock abgeben mußte. Er hätte ihn sonst vor Wut an der Wand zerschlagen. Vor dem Zimmer vierzehn steht keiner vor der Tür. Hugo kann also ungehindert eintreten und geht zum Schalter.
„Kann ich ein Lexikon haben?“ fragt er.
„Da müssen Sie erst einen Antragschein unterschreiben.“
Hugo unterschreibt den Antragschein.
Der Beamte stempelt „genehmigt“ darauf.
„Kann ich jetzt das Lexikon haben?“
„Wenden Sie sich an den Schalter gegenüber.“
Hugo wendet sich an den Schalter gegenüber.
„Ich möchte ein Lexikon.“
Der Beamte schiebt Hugo einen Zettel hin.
„Schreiben Sie Ihre Wünsche auf den Bücherzettel.“
Hugo füllt den Bücherzettel aus. Hugo schreibt: ein Lexikon. Hugo gibt den Zettel ab. Hugo bekommt dafür eine Nummer.
„Ihre Nummer wird aufgerufen. Warten Sie auf der Bank.“
Hugo hat die Nummer 333.
Der Beamte ruft gerade auf:
„Nummer 27 bis 32.“
*
Nach einer Stunde hört Hugo:
„Nummer 333 bis 337!“
Hugo eilt zur Ausgabe. Hugo erwartet sein Buch. Aber Hugo erhält nur seinen Zettel zurück. Darauf steht: „Nähere Angaben?“
„Wieso?“ fragt Hugo dumm.
„Sie müssen angeben, was für ein Lexikon Sie wünschen. Wir haben hier das große Konversationslexikon, das kleine Konversationslexikon, das Glossarlexikon, das Onomastiklexikon , das Idiotiklexikon , das etymologische Lexikon, das Synonymenlexikon, dazu noch zweihundert Spezialfachwörterbücher. Der nächste Herr, bitte!“
„Das ist mir zu hoch!“ schreit Hugo wütend, „ich will doch nur ein gewöhnliches Wörterbuch, weil ich nachsehen will, wie ein Wort geschrieben wird!“
„Dazu genügt ein orthographisches Wörterbuch.“
„Freilich!“ meint Hugo.
Hugo gibt wieder einen Zettel ab. Hugo bekommt diesmal die Nummer 4006. Hugo muß jetzt zwei volle Stunden warten. Endlich erhält er sein Wörterbuch. Und Hugo macht sich auf die Suche nach dem Wort „Bürokratie“. Bei Bäbe fängt er an und liest über Bälgetreter, Blähhals , Bratapfel weiter. Immer näher kommt er:
„Buntschuh — Bunker — Bunze — Bürde - Bürste?“
Hugo liest wieder zurück nach vorn. Und wieder von vorn nach hinten. Das Wort Bürokratie ist nicht vorhanden.
Hugo trägt das Buch zurück.
„Hier stimmt etwas nicht! Hier fehlt etwas!“
„Wieso?“
„Das Wort Bürokratie steht nicht darin.“
„Das gibt es nicht“, sagt der Beamte und schaut Hugo mißtrauisch an, „geben Sie mir das Buch — hier fehlt ja ein ganzes Blatt!“
„Sehen Sie!“ sagt Hugo stolz.
Er hätte nicht stolz sein sollen.
Der Beamte durchbohrt ihn mit den Augen.
„Wann haben Sie sich das Buch ausgeliehen?“
„Jetzt werden Sie putzig! Sie haben mir doch das Buch selber gegeben!“
Der Beamte brummt:
„Ich arbeite nur nach Zettel und Nummer. Wann haben Sie sich das Buch ausgeliehen?“
„Vor zehn Minuten.“
„Dann müssen Sie den Band ersetzen. Beschädigungen müssen sofort bei Empfang gemeldet werden, sonst ist der Entleiher gemäß der Leseordnung voll haftbar. Widerspruch hat gar keinen Zweck, Herr, Sie haben sich selbst durch Unterschrift des Antragscheines den Bedingungen unterworfen. Wo kämen wir denn hin, wenn jeder Mensch sich aus einem Buch eine Seite herausreißen wollte? Was würden Sie sagen, wenn Sie ein Buch erhielten und gerade die Seite fehlte, die Sie interessiert?“
*
Hugo sagt gar nichts. Hugo weiß nicht mehr, was los ist. Hugo sieht rot vor den Augen und geht los. Als Hugo wieder zu sich kommt, sitzt er im Gefängnis. Vor ihm steht der Wärter:
„Haben Sie einen Wunsch? Schreibmaterial? Bücher?“
Da sagt Hugo:
„Ja. Geben Sie mir bitte schnell ein Lexikon, wo das Wort Bürokratie vorkommt. Als freier Mann habe ich zwanzig Beamte um Erlaubnis fragen müssen, habe Zettel unterschreiben müssen, bin von Pontius zu Pilatus geschickt worden, mußte fünf Stunden warten und dann habe ich es noch nicht bekommen. Jetzt bin ich kein freier Mann mehr, jetzt sitze ich im Loch, jetzt möchte ich einmal wissen, wie lange es da dauert.“
Eine Minute später hielt Hugo das Lexikon in der Hand und las:
„Bürokratie — eine von Spöttern erfundene Bezeichnung für einen nicht vorhandenen Zustand umständlicher Amtshandlungen.“
Das Konzert
Marianne freute sich unbändig auf das Konzert.
Doch mit des Geschickes Mächten —
Plötzlich läutete das Telefon.
„Ja?“ sagte
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