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Das schwarze Manifest

Das schwarze Manifest

Titel: Das schwarze Manifest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederick Forsyth
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möglicherweise der richtige Mann. Jedenfalls werde er die Präsidentenwahl im Juni 2000 ziemlich sicher gewinnen – das zeigten alle Meinungsumfragen. Die Weitblickenden täten gut daran, ihn zu unterstützen.
    In Präsidialbüros, Botschaften, Ministerien und Sitzungsräumen überall im Westen stieg Zigarrenrauch zur Decke auf, und Köpfe nickten.
    Im Norden des Moskauer Innenstadtgebiets, knapp innerhalb des Boulevardrings und auf halber Strecke des Kiselnyboulevards, zweigt eine Seitenstraße ab. In der Mitte ihrer Westseite liegt ein kleiner Park, ungefähr zweitausend Quadratmeter groß, der auf drei Seiten von einer aus Hohlblocksteinen errichteten Mauer umgeben und zur Straße hin durch drei Meter hohe, grüngestrichene Stahlplatten abgeschirmt ist, über denen gerade noch die Wipfel einer Reihe Koniferen zu erkennen sind. In die Stahlwand ist ein zweiflügliges Tor, ebenfalls aus Stahl, eingelassen.
    Der kleine Park ist in Wirklichkeit der Garten eines vorrevolutionären eleganten Stadthauses oder Herrensitzes, der Mitte der achtziger Jahre mit großem Aufwand renoviert worden ist. Trotz seines modernen und funktionellen Inneren ist die klassische Fassade in Pastelltönen gehalten und der Stuck über Türen und Fenstern weiß abgesetzt. Dies war die eigentliche Parteizentrale Igor Komarows.
    Hielt ein Besucher vor dem Tor, befand er sich im Erfassungsbereich der über ihm montierten Überwachungskamera und meldete sich über eine Sprechanlage an. Der Posten in einem Wachhäuschen dicht hinter dem Tor, mit dem er sprach, übermittelte seinen Namen ans Sicherheitsbüro in der Villa.
    Öffnete sich das Tor, konnte der Wagen zehn Meter weiterfahren, bis er vor einer Doppelreihe nadelspitzer Stahldorne stand. Hinter ihm schloß sich das auf Rollen gleitende Stahltor automatisch. Nun kam der Wachposten aus seinem Häuschen, um die Papiere des Besuchers zu kontrollieren. Waren sie in Ordnung, ging er in sein Häuschen zurück und drückte auf einen Knopf. Die Stahldorne wurden elektrisch versenkt, und der Wagen konnte zu dem mit Kies bedeckten Vorhof weiterfahren, wo er schon von weiteren Wachposten erwartet wurde.
    Auf beiden Seiten der Villa verlief ein fest an die gegenüberliegende Mauer geschraubter Maschendrahtzaun bis zu den Ecken des Areals. Hinter dem Maschendrahtzaun waren die Hunde. Es gab zwei Teams, die jeweils nur ihrem eigenen Hundeführer gehorchten. Die Hundeführer lösten sich allnächtlich ab. Nach Einbruch der Dunkelheit wurden die Zauntüren geöffnet, und die Wachhunde hatten auf dem gesamten Areal freien Auslauf. Ab diesem Zeitpunkt blieb der Mann am Tor in seinem Wachhäuschen. Kam spät Besuch, mußte er den Hundeführer verständigen, damit er die Tiere zurückpfiff.
    Um zu vermeiden, daß das Personal von den Hunden angefallen wurde, gab es einen unterirdischen Gang von der Rückseite der Villa zu einer engen Gasse, die auf den Kiselnyboulevard hinausführte. Der Gang war durch drei Türen mit Tastenfeldschlössern gesichert: eine in der Villa, eine auf halbem Weg und eine draußen an der Gasse. Dies war der Ein-und Ausgang für Lieferanten und Personalangehörige.
    Nachts, wenn die Büroangestellten gegangen waren und die Hunde frei herumliefen, taten zwei Wachmänner Dienst in der Villa. Sie hatten ihren eigenen Raum mit Fernseher und Teeküche – aber ohne Betten, weil sie nicht schlafen sollten. Alle halbe Stunde patrouillierten sie abwechselnd durch die zweistöckige Villa, bis sie von der zur Frühstückszeit eintreffenden Tagschicht abgelöst wurden. Komarow traf erst später ein.
    Aber Staub und Spinnweben respektieren kein noch so hohes Amt, und wenn allabendlich, außer an Sonntagen, der Summer von der Gasse her ertönte, ließ einer der Wachmänner den Raumpfleger ein.
    Raumpflegepersonal besteht in Moskau fast ausschließlich aus Frauen, aber Komarow zog es vor, sich nur mit Männern zu umgeben, und dazu gehörte auch der Raumpfleger, ein harmloser alter Soldat namens Leonid Saizew. Der Familienname bedeutet im Russischen »Hase«, und wegen seines hilflosen Auftretens, des abgewetzten alten Militärmantels, den er sommers wie winters trug, und der drei Vorderzähne aus Edelstahl, die in seinem Mund blinkten – die zahnärztliche Versorgung in der Roten Armee war ziemlich primitiv gewesen –, nannte das Wachpersonal in der Villa ihn einfach Hase. Am Abend nach dem Tod des russischen Präsidenten wurde er wie üblich um zweiundzwanzig Uhr eingelassen.
    Es war ein Uhr

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