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Das Schweigen der Miss Keene (German Edition)

Das Schweigen der Miss Keene (German Edition)

Titel: Das Schweigen der Miss Keene (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Klassen
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zurück, drehte sich um und verließ die Lichtung mit raschem Schritt.
    Sie hörte noch sein raues Lachen. »Närrisch …«
    Und sie war nicht sicher, ob er sie oder sich selbst damit meinte.
    Olivia entfernte sich schnell, geleitet vom Mondlicht, das durch die herbstlich kahlen Äste fiel. Den Stock hielt sie vor sich ausgestreckt wie ein Blinder seinen Stab. Sie lauschte angespannt nach jedem Anzeichen, dass sie verfolgt würde, hörte aber nichts als das gelegentliche Heulen eines Waldkauzes oder das leichte Rascheln kleiner Nachttiere. Nach einiger Zeit verwandelte sich ihre Angst in Erschöpfung und Hunger. Vielleicht hätte ich nicht so stolz sein sollen , überlegte sie, während ihr Magen sie mit ständigem Schmerz strafte.
    Schließlich schaffte sie es nicht, sich weiter zu schleppen und kauerte sich unter einem Baum zusammen. Sie suchte in ihren Umhangtaschen nach den Handschuhen, aber es war ihr nur einer geblieben – den anderen hatte sie zweifellos im Wald verloren. Wieder spürte sie das feste Päckchen in ihrer Tasche, machte sich aber nicht die Mühe, es in der Dunkelheit zu untersuchen. Zitternd zog sie sich den Kapuzenumhang eng um den Körper und bedeckte ihre dünnen Schuhe mit ein paar Händen Laub und Tannennadeln, um ihre Füße warm zu halten. Bilder vom entsetzten Gesicht ihrer Mutter und dem Körper eines Mannes, der mit dem Gesicht nach unten auf dem dunklen Boden lag, wollten in ihr aufsteigen, aber sie schob sie beiseite und floh ins süße Vergessen des Schlafes.

2
     
Schicken Sie sie auf ein Internat, damit sie etwas Raffinesse und List lernt. Dann, mein Herr, sollte sie eine eingebildete Kenntnis von Geschäftsbüchern haben …
R. B. Sheridan, The Rivals, 1775
     
    Als Olivia erwachte, bemerkte sie das Zwitschern der Vögel und einen nebligen Dunst. Sie hielt ihren schweren Stock immer noch umklammert. Wieder erinnerte er sie an den Feuerhaken, und sie war versucht, ihn von sich zu schleudern. Aber war er nicht ihr einziger Schutz vor Wildhunden, wenn nicht gar vor bösen Männern?
    Die aufgehende Sonne glitzerte durch das Dach der Äste, die mit einzelnen hartnäckigen Blättern geschmückt waren. Olivias Gliedmaßen waren steif, ihre Zehen fühlten sich taub an, nachdem sie auf dem kalten, wurzeligen Boden geschlafen hatte. Sie rieb sich erst die Hände, dann die Füße warm, bevor sie wieder in ihre Schuhe schlüpfte. Wenn sie gewusst hätte, was gestern passieren würde, hätte sie sich Zeit genommen, ein Paar Halbstiefel zu schnüren, anstatt ihre hauchdünnen Ziegenlederslipper anzuziehen.
    Die entsetzliche Szene wiederholte sich in ihrem Kopf.
    Sie war spät von ihrer Stelle in Miss Cresswells Schule nach Hause gekommen. Auf einem umgeworfenen Stuhl hatte sie den Mantel ihres Vaters gefunden. Unter ihren Schuhen hatte zerbrochenes Glas geknirscht. Was hatte er dieses Mal geworfen? Ein Trinkglas? Eine Flasche? Ein schriller Schrei trieb sie ins Schlafzimmer, das nicht erleuchtet, aber hell genug für einen schaurigen Anblick war – den Rücken eines Mannes, dessen Hände um die Kehle ihrer Mutter lagen … die weit aufgerissenen Augen ihrer Mutter, die nach Luft rang …
    Olivia hatte nicht überlegt, sondern nur reagiert. Plötzlich hatte sie den Schürhaken in der Hand gehabt. Sie hob ihn in die Höhe, ließ ihn mit einem ekelhaften Krachen heruntersausen, und der Mann fiel mit dem Gesicht nach unten zu Boden. Die Wucht ihres Schlags zog durch ihren Arm bis in die Schulter hinauf. Ein betäubender Schock folgte wie eine eisige Welle. Sie starrte reglos auf ihre Mutter, die keuchend nach Luft rang.
    Dann war ihre Mutter plötzlich neben ihr, zog ihr den Feuerhaken aus den steifen Fingern und zog sie aus dem Zimmer, durch die Küche und zur Vordertür. Sie zitterten beide.
    »Habe ich ihn getötet?«, hatte Olivia geflüstert und einen Blick auf die verdunkelte Schlafzimmertür geworfen. »Das war nicht meine Absicht. Ich wollte nur –«
    »Pst. Er atmet noch und kann jeden Moment zur Besinnung kommen. Du musst verschwinden, bevor er dich sieht. Bevor er erfährt, wer ihn niedergeschlagen hat.«
    Im Licht des Küchenfeuers sah Olivia die Schwellungen, die sich bereits am Hals ihrer Mutter zeigten. »Dann musst du mitkommen. Er hätte dich töten können!«
    Dorothea Keene nickte und presste sich die zitternden Finger gegen die Schläfen, um einen klaren Gedanken zu fassen. »Aber zuerst werde ich zu Muriel gehen. Sie wird wissen, was zu tun ist. Aber er darf niemals

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