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Das Schweigen der Miss Keene (German Edition)

Das Schweigen der Miss Keene (German Edition)

Titel: Das Schweigen der Miss Keene (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Klassen
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legen, als er sie nach oben zog.
    »Lassen Sie mich los!«
    Der stämmige Mann lachte. Olivia wirbelte in seinen Armen herum und schwang den Stock wie eine Keule. Mit einem dumpfen Krachen erwischte sie den Mann seitlich am Kopf. Er stieß einen gellenden Schrei aus und fasste mit beiden Händen an die verletzte Stelle.
    Olivia versuchte zu fliehen, doch zwei andere Männer packten sie an Armen und Beinen und trugen sie zum Feuer.
    »Alles in Ordnung, Borcher?«, fragte der Jüngste der Männer mit heller Stimme.
    »Wird schon wieder. Ihr wird’s aber gleich nicht mehr gut gehen.«
    »Bitte!«, flehte Olivia den Mann an, der sie festhielt. »Ich bitte Sie, lassen Sie mich los. Ich bin ein anständiges Mädchen aus Withington.«
    »Mein Bruder lebt dort in der Nähe«, erzählte der jüngste Mann.
    »Halt den Mund, Garbie«, befahl Borcher.
    »Vielleicht kenne ich Ihren Bruder«, sagte sie verzweifelt. »Wie ist sein Na-?«
    »Ruhe!« Mit erhobener Hand schoss Borcher auf sie zu.
    »Tu’s nicht, Borcher«, bedrängte ihn Garbie. »Lass sie gehen.«
    »Nachdem mich diese wilde Göre geschlagen hat? Ich denke nicht daran.« Borcher griff unsanft nach ihr, drückte ihr beide Arme mit seinem langen, schweren Arm zusammen und stieß sie mit dem Rücken gegen einen Baum.
    Sie versuchte vergeblich, auf seinen Fuß zu treten, aber ihre leichten Ziegenlederschuhe konnten gegen seine Stiefel nichts ausrichten. »Nein!«, schrie sie. »Kann mir nicht jemand helfen? Bitte!«
    Blitzschnell schoss seine freie Hand nach oben und griff nach ihrem Unterkiefer. Stahlharte Finger bohrten sich auf eine Weise in ihre Wangen, dass ihre Schreie verstummten. Mit einem Ruck drehte sie den Kopf zur Seite und biss mit aller Kraft in seinen Daumen.
    Borcher brüllte auf, riss seine Hand weg und ballte sie drohend zur Faust.
    Olivia kniff die Augen zu und machte sich auf den unausweichlichen Schlag gefasst.
    Sie hörte ein Zischen und ein Plopp . Etwas schwirrte am Ohr ihres Bedrängers vorbei und schlug vibrierend im Baum über ihr ein. Sie öffnete die Augen, als Borcher den Kopf herumriss. Auf der gegenüberliegenden Seite der Lichtung, am Rand des Feuerscheins, stand ein Mann auf einem Baumstumpf und hielt Pfeil und Bogen in Bereitschaft.
    »Lass sie los, Phineas«, verlangte er mit gedehnter, ärgerlicher Stimme.
    »Kümmer dich um deinen eigenen Kram.« Erneut hob Borcher die Faust.
    Ein weiterer Pfeil zischte vorbei und durchdrang die Rinde des Baums mit einem Knacken.
    »Croome!«, fluchte Borcher.
    »Beim nächsten Mal ziele ich genau«, erwiderte der Mann mit Namen Croome trocken. Obwohl er wie ein schmächtiger älterer Mann wirkte, hatten seine Worte den stählernen Klang unnachgiebiger Autorität.
    Borcher gab Olivia mit einem heftigen Stoß frei. Sie stieß mit dem Hinterkopf gegen den Baum, an dem die langen Pfeile über ihr immer noch zitterten. Nicht einmal der pulsierende Schmerz in ihrem Schädel konnte die Erleichterung schmälern, die sie durchströmte. Im flackernden Schein der Flammen blickte sie wieder zu ihrem Retter, der immer noch auf dem Baumstumpf thronte. Er war ein hagerer Mann um die Sechzig und trug einen verschlissenen Hut und Jagdrock. Aschgraues Haar hing ihm auf die Schultern herab. Er hatte sich eine Jagdtasche umgeschlungen. Der Bogen in seiner Hand wirkte wie die natürliche Verlängerung seines Arms.
    »Ich danke Ihnen«, sagte sie.
    Er nickte.
    Im Licht der vergessenen Laterne fiel Olivias Blick auf den stabilen Stock und sie bückte sich, um ihn aufzuheben. Dann wollte sie sich umdrehen und davoneilen.
    »Warten Sie.« Croomes Stimme war rau, aber nicht bedrohlich. Er verließ den Baumstumpf und sie blieb stehen, bis er herangekommen war. Seine Größe – für einen Mann seines Alters war er hochgewachsen – und sein hinkender Schritt verwunderten sie. »Nehmen Sie die Verpflegung, die ich für diese nutzlosen Hundesöhne mitgebracht habe.«
    Sie nahm einen Viertellaib Brot und einen Beutel Äpfel entgegen. Ihr Magen knurrte wie auf ein Stichwort. Aber als er ihr einen schlaff herunter baumelnden Hasen aus seiner Jagdtasche anbot, schüttelte sie den Kopf.
    »Nein, danke. Das hier ist mehr als genug.«
    Er hob eine graue Augenbraue. »Als Ausgleich für das, was sie Ihnen angetan haben – oder mit Ihnen gemacht hätten?«
    Olivia erstarrte. Sie schüttelte den Kopf und sagte mit ruhiger Würde: »Nein, danke. Ich fürchte, dafür gibt es keinen Ausgleich.« Sie gab ihm das Brot und die Äpfel

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