Das Schweigen der Tukane
sehe ich auch so. Das heisst, wir setzen den Hebel bei Emma Grauwiler an, Nadine.»
«Mit Hanspeter Sonderegger als Lockvogel?»
«Genau!»
«Dann lass es uns zu Ende bringen. Je schneller, desto besser.»
Ferrari nickte, er verstand Nadine nur zu gut. Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende. In diesem Fall waren einfach zu viele Emotionen im Spiel. Der Tod von Thuri sass allen noch tief in den Knochen, zudem mochte Nadine sowohl Nora als auch Emma. Ganz zu schweigen von der Kluft, die sich zwischen ihr und Noldi im Laufe der Ermittlungen aufgetan hatte, und zu guter Letzt durfte man auch nicht vergessen, wie sie die Kollegen behandelten.
«Was ist mit Julie?»
«Kommt nicht infrage, Nadine.»
«Du verstehst mich falsch. Wenn wir Emma kriegen, uns Kuster aber entwischt, müssen wir damit rechnen, dass er durchdreht. Wer zwei Morde begeht, bringt auch ein Kind um.»
«Wir lassen Rebecca und Julie in den nächsten Tagen rund um die Uhr bewachen, bis wir die beiden hinter Gittern haben. Wir bitten Stephan um Unterstützung.»
Ein Anruf bei Kommissär Stephan Moser genügte. Er stellte sofort ein Team zusammen, das für die Sicherheit von Julie besorgt sein sollte. Er selbst würde vor Ort die Überwachung kontrollieren. Danach weihten sie Sonderegger in ihre Pläne ein. Es brauchte einige Überredungskunst, um ihn davon zu überzeugen, dass dies die einzige Möglichkeit war, die Mörder seines Freundes zu überführen. Er wollte und konnte nicht glauben, dass Emma mit von der Partie war.
«Und wenn sich alles als Schlag ins Wasser erweist und Emma zu Unrecht einer solchen schrecklichen Tat beschuldigt wird? Ich glaube dieser Schüpfer nicht.»
«Dann sind wir alle erledigt. Nur wird das nicht passieren. So leid es mir tut, Emma ist in diesen Fall verwickelt.»
Für einen Moment begann Ferrari an ihrem Vorgehen zu zweifeln. Was ist, wenn Sonderegger recht hat und uns Nora erneut auf eine falsche Spur lockt? Der Kommissär schüttelte den Kopf, als wollte er diesen Gedanken so schnell wie möglich verscheuchen. Dieses Mal hatte sie die Wahrheit erzählt. Das fühlte er deutlich.
«Wir sind auf Ihre Unterstützung angewiesen. Selbstverständlich steht es Ihnen frei, abzulehnen. Zwingen können wir Sie nicht.»
«Und dann bin ich wieder Ihr Hauptverdächtiger, Frau Kupfer.»
«Nein. Wir glauben Ihnen. Ich gehe davon aus, dass wir uns nie wieder sehen.»
Sonderegger ging in seinem Büro auf und ab.
«Mir ist ganz mulmig beim Gedanken, Emma in eine Falle zu locken. Vor allem, wenn sich die ganze Aktion als Irrtum herausstellen sollte. Andererseits will ich, dass der Mörder von Peter gefasst wird, und habe Ihnen diesbezüglich bei einer unserer letzten Begegnungen meine Hilfe ja zugesichert … Gut, Sie können sich auf mich verlassen.»
Sonderegger telefonierte mit Emma Grauwiler. Geschickt machte er ein paar Andeutungen, warf ihr sozusagen einige Brocken hin, ohne konkret zu werden. Die Wirkung blieb nicht aus. Nach zehn Minuten entschloss sich Emma, ins Lagerhaus zu kommen.
«Hallo, Hanspeter!», sie küsste ihn auf beide Wangen, «das war jetzt eben schon ein eigenartiges Gespräch. Stimmt etwas nicht?»
«Willst du dich nicht setzen?»
«Danke, ich stehe lieber. Ich bin nur auf einen Sprung vorbeigekommen. Morgen ist die Trauerfeier und da gibt es noch viel vorzubereiten. Willst du mir nicht verraten, was los ist? Du hast am Telefon so seltsam geklungen.»
«Vielleicht ist es ganz gut, wenn wir vorher die Fronten klären.»
«Was meinst du damit?»
«Ich weiss, dass du und Remo … dass ihr Peter und diesen Polizisten umgebracht habt.»
«Was? Das ist … Du solltest einen Psychiater konsultieren, Hanspeter. Wenn es das ist, worüber du dich mit mir unterhalten willst, dann gehe ich wieder», sie drehte sich theatralisch um und öffnete die Tür. «Dass du so etwas Schreckliches von mir glaubst, Hanspeter, enttäuscht mich sehr.»
«Dann stimmt es wohl auch nicht, dass ihr mit Rauschgift handelt.»
Langsam drehte sie sich um.
«Ich bin nicht ganz so blöd, wie du denkst, Emma. Ich vermute schon einige Zeit, dass etwas nicht stimmt. Doch zuerst dachte ich, Peter hänge in der Sache mit drin. Jetzt weiss ich es besser – du steckst dahinter.»
Sie schloss langsam die Tür und setzte sich.
«Jetzt mal langsam. Du vermutest, dass Peter mit Drogen handelte und Remo daran beteiligt ist? Unglaublich!»
«Ein guter Versuch, Emma! Leider gelingt es dir nicht, mich um den Finger zu
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