Das Schweigen der Tukane
1. Kapitel
Kommissär Ferrari tippte eine Zahlenkombination in seinen Computer. Die ist selten und praktisch nie gespielt worden! Hm, das hat wohl seinen Grund … In den letzten drei Jahren spielte sie nur gerade zwei Mal einen Dreier ein. Sonst nichts. Das kann ich glatt vergessen. Auf Ferraris Tisch lagen drei Lottoscheine. Einer von Swiss Lotto, einer von Euro Millions und einer aus Deutschland. Wie viel ist eigentlich im Schweizer Jackpot? Er googelte. Nur noch knapp zweihunderttausend Franken, bei der letzten Ziehung wurde er geknackt. Vier Millionen betrug der Gewinn! Alles stinknormale Zahlen, sodass den acht Gewinnern letztendlich auch nur noch fünfhunderttausend übrig blieben. Na ja, besser als nichts. Wie lange muss ich für so viel Geld arbeiten? Die Miene des Kommissärs verfinsterte sich. Theatralisch warf er den Swiss-Lotto-Schein in den Papierkorb, um ihn Sekunden später wieder herauszufischen. Beinahe liebevoll strich er ihn glatt. Vielleicht gewinne ich ja gerade an diesem Wochenende. Die Wahrscheinlichkeit besteht, wenn auch … Aber lassen wir das. Ich ändere mein System. Genau. Die Geburtsdaten von Monika, Tochter Nikki und mir waren bisher nicht besonders erfolgreich. Auch die Zahlenkombinationen 6, 12, 18, 24, 30 und 36 bringen nichts. Geschweige denn die Primzahlen. Ferrari starrte wie gebannt auf den Bildschirm. Das wird jetzt mit diesem neuen Online-Lottosystem alles anders. Mit einem Klick weiss ich, was, wann, wo gezogen wurde, welche Kombinationen am erfolgreichsten sind, welche Zahlen selten bis nie vorkommen. Ein wahrer Segen, so ein Programm. Weshalb bin ich erst jetzt auf die Idee gekommen, dieses Teil zu kaufen?
«Der spinnt doch total», Nadine stiess die Tür von Ferraris Büro mit dem Fuss auf.
«Guten Morgen, Nadine. Meinst du Staatsanwalt Borer?»
Ferrari verdeckte mit seinem Arm die Lottoscheine.
«Quatsch! Gut, der hat auch nicht alle Blätter am Baum. Ich rede von Koch.»
«Koch? Koch … wer ist Koch?»
«Ein Freund von Noldi.»
«Ach, der mit der kleinen Nutte, die er bekehren will. So, so, ein Freund von deinem Freund.»
«Noldi ist nicht mein Freund. Aber darum geht es jetzt nicht und rede gefälligst nicht so abschätzig von Kochs Freundin.»
«Hm. Und warum spinnt er?»
«Weil er die kleine Nutte heiraten will.»
«Dann lass ihn doch. Wohin die Liebe fällt, wie es so schön heisst.»
Nadine setzte sich rittlings auf einen Stuhl.
«Nicht gerade ladylike.»
«Ich bin keine Lady. Das solltest sogar du inzwischen bemerkt haben. Im Mai wollen sie heiraten und Noldi ist Trauzeuge. Der spinnt übrigens auch», fügte sie kopfschüttelnd hinzu.
«Aha! Sehr interessant.»
Ferrari trommelte mit dem Kugelschreiber auf seinen Bürotisch.
«Du nervst mich mit dem Geklopfe, Francesco. Deine Marotten nehmen mit jedem Jahr zu. Echt krass.»
Unbeirrt erhöhte Ferrari die Schlagzahl.
«Wenn du mir jetzt noch sagst, was dich an der Beziehung so stört, ausser dass die Kleine auf den Strich geht, dann könnten wir uns wieder mit der Toten in der Rheingasse beschäftigen.»
«Es stört mich überhaupt nichts.»
«Wunderbar, dann ist ja alles bestens. Liegt Peters Obduktionsbericht vor?»
«Sicher! Soll ich ihn holen?»
«Nicht nötig, wenn du mir erzählst, was drin steht. Gibt es neue Erkenntnisse?»
«Eine Überdosis Medikamente führte zum Herzstillstand. Keine Anzeichen von Gewalt.»
«Also kein Mord, wie wir vermutet haben, sondern ein tragischer Unfall. Gut, somit können wir diese Akte schliessen. Übrigens, dieser Koch, was macht er beruflich?»
«Er ist bei der Sitte.»
Ferrari hörte mit seinem rhythmischen Klopfen auf.
«Ein Polizist?»
«Exakt. Deshalb regt es mich so auf. Der Mann ist nicht mehr tragbar, wenn die Öffentlichkeit erfährt, dass er eine Nutte heiratet. Aber er lässt sich das Mädchen nicht ausreden, weder von Noldi noch von mir.»
«Dann soll er sich versetzen lassen, am besten zum Verkehrsdienst.»
«Ausserdem hat sie ein Kind.»
«Was ist daran verwerflich?»
«Koch ist hin und weg, wenn er von der Kleinen erzählt.»
«Das ist doch schön. Patchworkfamilien sind schwer im Trend. Schau Monika, Nikki und mich an. Ich gehöre sozusagen zur Avantgarde. Dieser Koch, wie sieht er aus?»
«Also eine Patchworkfamilie definiert sich leicht anders. Die entstehen nämlich, wenn Väter und Mütter in neuen Beziehungen weitere Kinder bekommen. Und das trifft ja auf dich und Monika nicht ganz zu.»
Ferrari schmollte. Dieses
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