Das Schweigen des Glücks
Freundin hatte, die zu erwähnen er vergessen hatte. Und sie hatte ihr Leben.
Im ersten Moment schien die Episode nicht so wichtig, aber einen Monat darauf, als sie eines Dienstagmorgens auf dem Fußboden im Badezimmer hockte, die Arme um die Toilettenschüssel geschlungen, war es schon um einiges wichtiger. Sie ging zum Arzt, der bestätigte, was sie längst wusste.
Sie war schwanger.
Sie rief Brett an, erreichte seinen Anrufbeantworter und bat ihn zurückzurufen; drei Tage später rief er endlich an. Er hörte zu, dann seufzte er und es klang genervt. Er bot ihr an, für eine Abtreibung zu bezahlen. Als Katholikin, sagte sie, käme das für sie nicht in Frage. Verärgert fragte er sie, wie das habe geschehen können. »Ich glaube, du weißt die Antwort darauf schon«, hatte sie geantwortet. Er fragte, ob sie sicher sei, dass das Kind von ihm sei. Sie schloss die Augen und versuchte ruhig zu bleiben, sich nicht provozieren zu lassen. Ja, es sei seins. Wieder bot er ihr Geld für eine Abtreibung. Wieder sagte sie nein. Was solle er ihrer Meinung nach tun, fragte er sie. Er solle gar nichts tun, sagte sie, sie sei einfach der Meinung, er solle es wissen. Er würde Einspruch erheben, wenn sie Unterhalt forderte, sagte er. Sie sagte, das erwarte sie nicht von ihm, aber sie müsse wissen, ob er in dem Leben des Kindes eine Rolle spielen wolle. Sie hörte sich seinen Atem am anderen Ende der Leitung an. Nein, sagte er schließlich. Er war mit jemandem verlobt.
Seitdem hatte sie nie wieder mit ihm gesprochen.
In Wahrheit war es leichter, Kyle gegenüber einem Arzt zu verteidigen als sich selbst gegenüber. In Wahrheit machte sie sich größere Sorgen, als sie sich anmerken ließ. Obwohl er große Fortschritte gemacht hatte, war das Sprachverhalten eines Zweijährigen nichts, worüber man jubeln konnte. Kyle würde im Oktober fünf.
Trotzdem, sie würde sich nicht geschlagen geben. Nie würde sie sich geschlagen geben, obwohl die Aufgabe, die sie mit ihm übernommen hatte, die schwerste war, die sich ihr je gestellt hatte. Nicht nur gestaltete sie seinen normalen Tagesablauf – sie machte ihm sein Essen, ging mit ihm in den Park, spielte mit ihm zu Hause, zeigte ihm die Umgebung und so weiter –, sondern sie arbeitete auch mit ihm und übte mit ihm Sprechen, vier Stunden jeden Tag, sechs Tage in der Woche. Zwar hatte er eindeutig Fortschritte gemacht, seit sie mit ihm übte, doch waren sie keineswegs gleichmäßig. An manchen Tagen sagte er alles nach, was sie ihm vorsprach, und an anderen Tagen tat er es nicht. An manchen Tagen verstand er neue Begriffe mit Leichtigkeit, an anderen schien er weiter zurück als sonst. Meistens konnte er Fragen mit »was« und »wer« beantworten; Fragen mit »wie« und »warum« verstand er überhaupt nicht. Und was die Fähigkeit zu einem Gespräch anging, das einen vernünftigen Austausch zwischen zwei Menschen ermöglichte, so war das nichts weiter als eine wissenschaftliche Hypothese und ging weit über seine Fähigkeiten hinaus.
Den Nachmittag zuvor hatten sie am Ufer des Chowan zugebracht. Er hatte Freude daran zu beobachten, wie die Boote auf dem Weg zur Batchelor Bay durch das Wasser pflügten, und es war eine Abwechslung in seinem Tagesablauf. Normalerweise war er, wenn sie zusammen arbeiteten, auf einem Stuhl im Wohnzimmer angeschnallt. Der Stuhl half ihm, sich zu konzentrieren.
Sie hatte sich eine schöne Stelle ausgesucht. Hickorynussbäume säumten das Ufer und die Farnwedel waren gegenüber den Stechmücken in der Überzahl. Sie saßen auf einer Wiese voller Klee, nur sie beide. Kyle blickte aufs Wasser. Denise machte sich in einem Notizbuch sorgfältig Aufzeichnungen über seine Fortschritte und schrieb gerade ihre letzte Beobachtung auf. Ohne aufzusehen sagte sie:
»Siehst du ein Boot, Schatz?«
Kyle antwortete nicht. Stattdessen hob er sein Spielzeugflugzeug in die Luft und tat so, als ließe er es fliegen. Ein Auge hatte er geschlossen, das andere war auf das Spielzeug in seiner Hand gerichtet.
»Kyle, Schatz, siehst du ein Boot?«
Er machte mit dem Mund ein Motorengeräusch nach, als würden die Düsen voll aufgedreht. Er beachtete sie gar nicht.
Sie sah über das Wasser. Es waren keine Boote in Sicht. Sie berührte leicht seine Hand, um seine Aufmerksamkeit auf sich zu lenken.
»Kyle? Sag: ›Ich sehe kein Boot.‹«
»Fuseu.«
»Ich weiß, das ist ein Flugzeug. Sag: ›Ich sehe kein Boot.‹«
Er hob das Flugzeug etwas höher, ein Auge war immer noch
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