Das Schwein kommt zum Essen: Roman (German Edition)
hingegen schien keine Schwierigkeiten zu haben. Kieran erklärte sich den Unterschied in ihrem Durchhaltevermögen damit, dass sein Bemühen, seine Frau nicht zu überholen, ihn mehr Kraft kostete als sein sonst ungebremster Laufschritt. Enthaltsamkeit wurde wie immer bestraft.
Sie hatten die Burg fast erreicht, drosselten aber trotzdem nicht ihr Tempo. Vielleicht hatte es sein Gutes gehabt, dass sie Brendan mit den Kühen begegnet waren. Im Verhältnis zur Landstraße war es querfeldein entschieden kürzer. Die Burg war mindestens zweihundertfünfzig Meter abseits von der Straße gelegen; und das hatte einen Vorteil: Etwaige durch die Luft fliegende Steinsplitter würden einem Wanderer, der nichtsahnend einherschritt, oder Brendan und seinen Kühen keinen Schaden zufügen können, wenn es zur Explosion kam.
Die Hecke hatten sie hinter sich, jagten jetzt keuchend über den Hof. Kitty riss die Tür zu der Großen Halle auf und hastete über die Schwelle. Jäh wich sie einen Schritt zurück und prallte mit ihrem Mann zusammen.
»Was hast du?« Kieran war so außer Atem, dass er die Worte nur mühsam herausbrachte.
Kitty wagte sich wieder hinein. »Siehst du es nicht?«
Kieran schaute sich in der Halle um und fragte tonlos: »Was?«
»Sieh doch hin! Dort!« Sie blickte nach oben zu dem riesigen eisernen Ring am Kronleuchter.
Kieran drehte den Kopf zur Decke und sagte nichts.
Wie schon einmal, als Seine Lordschaft in der Burg war, hingen dort oben Brid und Taddy mit schlaffen Körpern, auf den sonst so schönen und zarten Gesichtern das blanke Entsetzen.
»Wir müssen sie herunterholen«, flüsterte Kitty.
Kieran schüttelte den Kopf. »Es sind Geister. Selbst der Strick ist von Geisterhand.«
»Aber« – sie berührte seine Schulter – »sollen wir tatenlos wieder gehen? Zurück auf das Fest?«
Er schüttelte erneut den Kopf, diesmal langsam. »Die Zeit reicht nicht aus. Wir würden es nicht aus dem Detonationsradius herausschaffen.«
»Wir können sie doch aber nicht einfach so hierlassen. Und
er
mit hier. Nur weil er hier ist, hängen die da.«
Kieran wandte den Kopf zur Seite, weg von den sich sacht drehenden Körpern. »Wenn er daran schuld ist, sind wir es dann nicht auch?«
»Wir haben sie doch nicht gehängt. Es waren seine Leute, die es gemacht haben.«
»Nur waren damals eigentlich unsere Leute dafür vorgesehen. Wenn man ihm auch heute noch die Schuld anlastet, gilt das ebenso gut für uns.« Er sah seine Frau an. »Wir können gehen und es geschehen lassen – und Shaftoe geht mit drauf – oder wir können …«
Kitty verschwand schon durch die gegenüberliegende Tür, Kieran eilte hinterher. Sie liefen den schmalen Gang entlang, die Treppe hinauf zur Galerie, kletterten weiter die Stufen hoch, die zum Eckturm führten, versäumten aber nicht, einen Blick durch das Fenster auf die untergehende Sonne zu werfen.
»Solange Shaftoe hier ist, kommen sie vielleicht gar nicht zum Webstuhl und zur Harfe. Vielleicht bleibt uns Zeit, bis er geht, um zu tun, was wir tun müssen.«
»Das ist zu unsicher. Wir dürfen kein Risiko eingehen. Wenn sie irgendwo sein wollen, können sie dort, wo es sie hinzieht, auch sein. Geh weiter.«
Sie begannen die steile Wendeltreppe hinaufzustreigen, Kieran voran. Kitty hätte am liebsten die Hand ausgestreckt und ihn berührt, um ihn wissen zu lassen, dass sieganz nahe bei ihm war, denn sollten sie sich verrechnet haben und es mit ihnen im nächsten Moment aus und vorbei sein, wollte sie auf keinen Fall von ihm getrennt sein. Als sie durch Kittys Turmstube gingen, vermied sie es, einen Blick auf den leeren Schreibtisch zu werfen, denn Computer und Arbeitsmaterialien hatte sie weggeräumt. Ihre Burg konnte sie opfern, nicht aber ihr Manuskript.
Als auch sie den nächsten Treppenabsatz erreichte, kniete Kieran schon neben dem Schemel, an dem die Harfe lehnte, langte nach unten und zerrte das plump aussehende Gerät auseinander, das auch ein Junge zusammengebastelt haben konnte, der etwas brauchte, um sich zum Altardienst bei der Morgenmesse wecken zu lassen. Die Arbeit war in Sekundenschnelle getan, erleichtert ließ er die Arme sinken. In den Händen hielt er die voneinander gelösten Drähte und Kontakte. Sein Atem wurde ruhiger.
Kitty eilte zum Webstuhl und bückte sich hinunter zum Tritt, wo sie mit einer Vorrichtung kämpfte, die sie daran befestigt hatte. Rasch begann sie, die blanken Drähte zu entwirren, die zum Herzstück führten und die Verbindung zu
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