Das Schwein kommt zum Essen: Roman (German Edition)
den anderen Drähten unter den Steinplatten herstellten. Doch irgendetwas ging durcheinander. Sie wusste nicht mehr, ob sie die beiden Enden wirklich voneinander löste oder nur fester zusammendrehte. Oder machte sie beides gleichzeitig, auseinander- und zusammendrehen? In jedem Fall mussten beide Drähte voneinander getrennt werden. Sie kniete auf dem Boden und fummelte immer noch. Sie brauchte mehr Licht. Kieran hatte Glück gehabt. Er hatte seine Sache abseits vom Webstuhl erledigen und dadurch das Licht der sinkenden Sonne nutzen können.
Die Drähte blieben widerspenstig, egal, wie sie sich mühte. Alles Zerren war vergeblich. Sie erwog schon, sie durchzubeißen, war sich aber darüber im Klaren, dass sie dabei die Isolation beschädigen konnte. Kamen dann dieDrähte in Kontakt, würde das eine verheerende Wirkung haben, die nicht nur auf die Burg beschränkt bliebe.
»Brauchst du Hilfe?« Kieran hatte sich neben sie gekauert und schaute ihr über die Schulter.
»Mir will es einfach nicht gelingen, die beiden Drähte auseinanderzukriegen.«
»Du hast keine glückliche Hand dafür. Komm. Lass mich es machen.« Er griff zu, resigniert und verärgert überließ Kitty ihr Werk ihrem Mann. Die Drähte fügten sich willig seinem Tun und waren im Nu voneinander gelöst. Er hielt ihr die Teile hin. »Du brauchst eine Brille.«
»Ich brauche keine Brille.«
»Die Sorte Mensch kenn ich. Lieber in die Luft gehen, als eine Brille aufsetzen.«
»Das ist nicht wahr.« Sie riss ihrem Mann die einzelnen Stücke aus der Hand. Kieran ging wieder zur Harfe und nahm seine eigene Bastelei an sich. Er betrachtete sie einen Moment und legte sie unter den Schemel. Kitty griff die Idee auf, glättete die Drähte und legte ihr technisches Wunderwerk auf die Erde zwischen Webstuhl und Wand.
»Hast du es gemacht, um Brid loszuwerden?«, fragte Kieran mit gedämpfter Stimme.
Kitty ließ das eine Drahtende los, das sie noch in der Hand hatte. »Manchmal dachte ich, ich würde es tun, um beiden ihren Frieden zu geben. Wie kann ich jemals vergessen, dass sie an Stelle eines meiner Vorfahren starben? Versuch bitte nicht, mir einzureden, ich brauchte keine Schuldgefühle zu haben, ich hätte es schließlich nicht getan. Und doch trifft einen McCloud die Schuld, und ich bin eine McCloud, und daran ist nichts zu ändern.« Sie ließ ihre Hand über das Querholz des Webstuhls gleiten und sagte leise: »Manchmal dachte ich auch, ich müsste es Taddy heimzahlen. Weil ich eifersüchtig bin. Wegen seiner Liebe zu Brid.« Nach einer Weile fügte sie hinzu: »Ichwollte ihn umbringen. Und das hier war die einzige Möglichkeit.« Sie nahm die Hand vom Webstuhl und kratzte sich den Ellenbogen. »Sicher gibt es noch andere Gründe, aber die behalte ich für mich.«
Kieran setzte sich auf den Schemel und hob die Harfe auf. »Ich konnte Taddy nicht länger ertragen und tat, was ich tun musste, um ihn loszuwerden.« Er berührte mit den Fingerspitzen die Harfe. »Aber wenn ich ihn da so hängen sehe in der Großen Halle, kann ich einfach nicht vergessen, dass meine Vorfahren, wenn auch nicht willentlich, am Tod der beiden schuld sind. Mag sein, ich dürfte so ein Schuldgefühl gar nicht haben, aber was würde das ändern? Ob zu Recht oder zu Unrecht, ich habe es einfach. Das Geringste, was ich, ein Sweeney, tun kann, ist, sie dahin zu schicken, wo sie ihre Ruhe finden können.« Er legte die Hand auf die Harfe, als wäre es das Instrument, dem er den ewigen Frieden wünschte. »Mag sein, es gibt noch andere Gründe, aber mehr sage ich nicht.«
Draußen rief jemand, es war unverkennbar Peters Stimme. »Mr. Shaftoe! He, Sie! Da oben auf dem Turm! Hören Sie! Sie müssen da runter! Die Sonne geht gleich unter. Ihnen bleiben nur noch einige Minuten. Ich kann hier nicht länger herumstehen und Ihnen noch mehr sagen. Kommen Sie runter! Weg von dort! Sie haben nichts mit dem zu tun, was man hier vorhat. Mr. Shaftoe, bitte!«
Erschrocken wechselten Kitty und Kieran rasch einen Blick, und dann waren sie auch schon auf der Treppe, die nach oben zu den Zinnen führte. Mühelos öffnete Kitty die Falltür. Und da, nahe der Brüstung, stand Lord Shaftoe, das Tweedjackett hatte er abgeworfen, gleich daneben lag die Krawatte. Den obersten Hemdenknopf hatte er gelöst. Als er Kitty und Kieran sah, trat er einen Schritt zurück und lehnte sich an die Brüstung. Kitty beugte sich über die Zinnen. Peter schaute immer noch nach oben. In der Fernewar das Fest im Gange,
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