Das Schwein kommt zum Essen: Roman (German Edition)
Fröhlichseins, der Schlemmerei und des Trinkens ohne Ende. Jeder sollte im Verlaufe der Hochzeitsfestlichkeiten auf seine Kosten kommen. Kittys und Kierans Freigebigkeit führte dazu, dass sich die Gäste übermütig und zügellos gebärdeten und so Braut und Bräutigam meist sich selbst überlassen blieben. Lediglich flüchtige Bekannte oder gefällig sein wollende Fremde fühlten sich bemüßigt, der Gastgeberin und dem Gastgeber zu danken und ihnen alles Gute für das Abenteuer Ehe zu wünschen, auf das sie sich eingelassen hatten. Kitty und Kieran nutzten die Gelegenheit, sich an einen seitwärts aufgestellten und von den Musikern weit entfernten Tisch zu setzen, die Gäste zu beobachten und sich zu mokieren, wie dieser oder jener sich den Bauch vollschlug oder wie oft die eine oder andere zum Glas griff. Auch war man sich darin einig, dass die Kosten, die sie nicht gescheut hatten, sich lohnten, boten sie doch Abwechslung noch und noch und Zurückgezogenheit obendrein. Es blieb zudem Zeit, ungestört einander in die Augen zu schauen, mal direkt, mal verstohlen, und so wurden Sehnsucht und Leidenschaft genährt, die sie später wieder und wieder ausleben und erneuern würden, bis der anbrechende Morgen ein Innehalten gebot, eine kurze Ruhepause, bei der man sich in den Armen lag, bis die Zudringlichkeiten des Alltags die irdische Glückseligkeit entweder weiter fördern oder stören würden.
Freilich war gelegentliches Eindringen in ihre mit so außerordentlichem Aufwand erkaufte Zweisamkeit unter all den Gästen nicht zu vermeiden, so zum Beispiel, als Maude McCloskey an ihren Tisch trat, die selbsternannte Hellseherin der Grafschaft, eine Frau mit Gaben, die der Legende nach von den Gnomen auf sie gekommen waren, mit denen ihre Vorfahren sich eingelassen hatten, wenn nicht gar verheiratet waren. (Es war Kitty zur Gewohnheit geworden, an sie als »alte Vettel« zu denken, einem Ausdruck, der sie irgendwo zwischen einer bösen Hexe und einer akzeptableren Hellseherin ansiedelte. Diese Wahl hatte sie nicht aus Niedertracht getroffen, Kitty fand das Wort einfach interessanter, ließ es doch verschiedene Deutungen zu.)
Maude jedoch war alles andere als der Stereotyp eines alten Hutzelweibleins; ihre Figur, hochgewachsen und wohlgestaltet, bewies, dass die genetischen Beimengungen der Kobolde und anderer Wesen des irischen Volksglaubens längst überdeckt worden waren von den Anlagen eines durchaus ansehnlichen und kraftvollen Menschenschlags in Kerry. Die Gnome hatten nur noch ihre Fähigkeit zu tieferem Eindringen in schicksalhafte Fügungen und zu prophetischem Vorausschauen vererbt.
»Die Burg Kissane ist also den McClouds in die Fänge geraten, wie schön.« Die gute Frau war frohgemut, fast überschwänglich angesichts dieser Heirat; aus ihren dunklen Augen strahlte Zustimmung, ihre vollen Lippen öffneten sich zu einem beinahe lüsternen Grinsen.
Kitty zog den Brautschleier über die rechte Wange, um so wenigstens einen Teil des Gesichts vor Mauds glänzendem und irgendwie beunruhigendem Blick abzuschirmen. »So könnte man es sehen«, erwiderte sie.
»Du bist die richtige Frau dafür, wer denn sonst?«
»Besten Dank.«
»Und außerdem hast du Kieran Sweeney an deiner Seite, der dürfte dir eine Hilfe sein.«
»Daran habe ich keinen Zweifel.« Kitty brachte es fertig, es sich nicht anmerken zu lassen, wie sehr ihr die Unterstellung gegen den Strich ging, sie brauchte den Beistand eines Mannes.
»O doch«, sagte Maude und ließ Kitty damit wissen, dass ihr durchaus klar war, was sie dachte. »Du wirst ihn schon noch brauchen.«
»Maude«, sagte Kitty, »falls du gekommen bist, ein dräuendes Unheil zu verkünden, dann tu es bitte jetzt und lass mich weiter meine Hochzeit genießen.«
Maude schüttelte grinsend den Kopf. »Wenn du wüsstest, was ich weiß, wärst du nicht so erpicht darauf, davon zu erfahren.«
»Dann will ich dich nicht von weiteren Vergnügungen fernhalten.« Kitty wandte sich ab und war bemüht, ihren Blick gleichgültig über die Gästeschar hinweggleiten zu lassen. Sie nutzte den Moment, ein weiteres Mal die unheilvolle Geschichte der Burg Kissane an sich vorüberziehen lassen.
Jener Kissane, der dem Anwesen seinen Namen verliehen hatte, einer der einflussreicheren Stammesfürsten im Irland des siebzehnten Jahrhunderts, ein patriotisch gesinnter Sohn Kerrys, der von einem bis in die Zeit des heiligen Brendan zurückreichenden Geschlecht abstammte, hatte jedermann davon
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