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011 - Das Mädchen in der Pestgrube

011 - Das Mädchen in der Pestgrube

Titel: 011 - Das Mädchen in der Pestgrube Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dämonenkiller
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Die riesige Baugrube ganz in der Nähe vom Haupteingang des Stephansdoms war alles andere als ein hübscher Anblick. Die Touristen hatten einige Mühe, den Dom auf ihre Filme zu bannen, ohne allzuviel von den störenden Kränen und Baumaschinen draufzubekommen. Hinzu kam der schier ohrenbetäubende Krach.
    Fritz Heller hatte sich jedoch schon vor vielen Jahren an den Lärm gewöhnt. Er hielt den vibrierenden Preßluftbohrer in seinen riesigen Pranken und setzte ihn immer wieder an, ohne mit seinen Gedanken sonderlich bei der Arbeit zu sein. Er war ein bulliger Mann von etwa fünfzig Jahren, trug einfache blaue Hosen und ein schmutziges weißes T-Shirt. Auf seinem gewaltigen Schädel saß ein gelber Schutzhelm. Heller war ein einfacher Mann. Er liebte ein kühles Bier zum Essen, ging gern zum Heurigen und beschäftigte sich kaum mit Politik. Deshalb war es ihm auch egal, daß eine angeblich historische Häuserzeile mitten in der Wiener Innenstadt zur Hälfte abgerissen worden war, um Platz für den Prunkbau irgendeines Versicherungskonzerns zu schaffen, für den er gerade mithalf, das neue Fundament auszuheben. Immerhin sicherte der Großauftrag seinen Arbeitsplatz in der angeschlagenen Baubranche, und das war alles, was für ihn zählte.
    »Verdammt noch mal!« rief er wütend, als er ein Stück eines Oberschenkelknochens freilegte.
    Vor vielen hundert Jahren hatte sich rund um den Dom der sogenannte St. Stephans Freithof befunden. Das war in jener Zeit gewesen, als die innere Stadt noch eine Mauer umgab und sich jeder innerhalb der Stadtmauer hatte bestatten lassen wollen. Während der Pestepidemien hatte man die Toten ganz einfach in riesige Gruben geworfen und zugeschüttet. Daher stieß man jetzt immer wieder auf Knochen und Schädel, die gesammelt und in den Katakomben des Doms bestattet wurden. Schon als vor vielen Jahren die Wiener U-Bahn gebaut worden war, hatte es ähnliche Probleme gegeben, wie er aus den Schilderungen älterer Kollegen wußte.
    Heller stellte den Preßlufthammer ab und griff nach einer Schaufel. Es war gegen fünfzehn Uhr und verdammt heiß. Mit dem Handrücken wischte er sich den Schweiß von der Stirn, dann machte er sich brummend daran, den Knochen freizulegen.
    Als er vor einigen Tagen das erste Mal auf einen Totenschädel gestoßen war, hatte er sich ziemlich unbehaglich gefühlt, doch inzwischen hatte er schon mehr als ein Dutzend Knochen freigelegt; er ärgerte sich nur noch über die Unterbrechung seiner Arbeit.
    »Was ist los, Fritz?« rief ihm einer seiner Kollegen zu.
    »Ich bin wieder auf einen Knochen gestoßen.«
    »Viel Spaß damit!« Der andere lachte. »Pack ihn hübsch ein und nimm ihn deinem Hund mit!«
    »Laß deine blöden Späße!« schimpfte Heller.
    Nach wenigen Minuten hatte er den Knochen ausgebuddelt. Er warf ihn zur Seite, griff wieder nach dem Preßluftbohrer, stutzte aber plötzlich und beugte sich vor. Nein, er hatte sich nicht geirrt. Zwischen den Steinen schaute grüner Stoff hervor. Er kniete nieder. Der Stoff fühlte sich brüchig an. Entschlossen richtete er sich wieder auf und griff nach der Schaufel. Vorsichtig grub er weiter. Immer mehr Stoff kam zum Vorschein.
    Das sollte ich eigentlich melden , dachte er, grub jedoch weiter.
    Bald war ein Bein zu sehen. Er betastete es mit den Fingern und zuckte zurück. Die Haut war eiskalt. Jetzt war seine Neugier geweckt. Nach fünf Minuten stieß er auf das zweite Bein. Der grüne Stoff fühlte sich seltsam steif an. Es war ein langer Rock, der an einigen Stellen zerrissen war. Heller legte als nächstes die Füße frei. Sie steckten in kleinen braunen Schuhen. Irgend etwas zwang ihn, die Leiche immer weiter auszugraben. Er ging dabei sehr vorsichtig vor, um den Leichnam nicht zu beschädigen. Schließlich war die Frau bis zu den Hüften sichtbar. Sie lag auf dem Rücken, die Beine etwas angewinkelt. Heller grub weiter. Ein schlanker Arm kam zum Vorschein. Die kleinen Finger waren zu Fäusten geballt. Dann sah Heller ein zerrissenes Hemd, das halb aus dem Rock hing. Sekundenlang hielt er inne. Er gierte nach einer Zigarette und einem Bier, doch er konnte einfach keine Pause machen. Bald hatte er auch den Oberkörper freigelegt. Feste, hohe Brüste zeichneten sich unter dem zerfetzten Hemd ab. Heller warf die Schaufel zu Boden und buddelte mit den Händen weiter. Er arbeitete wie ein Besessener. Sein Gesicht war mit Schweiß bedeckt. Staub wirbelte auf. Er mußte niesen. Seine Finger berührten langes, korngelbes

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