Das Schwein sieht Gespenster: Roman (German Edition)
unbeweinten Hinscheiden des erbarmungslos verrissenen Romans würden er und Lolly zu ihren vorher ausgeübten Tätigkeiten zurückkehren; er an seinen Computer, sie zu ihren Schweinen. Warumernichtsoscharfdaraufwar, seineschriftstellerische Laufbahn fortzusetzen, war ein Thema, das er lieber nicht näher untersuchte. Er wollte, soweit es nur irgend ging, den Triumph des heutigen Tages auskosten, wobei er sich das nicht genauer formulierte Versprechen gab, der Quelle seines Unbehagens zu gestatten, sich zu einem von ihm bestimmten Zeitpunkt zu offenbaren – der, wenn er Glück hatte, nie eintreten würde.
Ob es nun mit Absicht geschehen war oder sich nur zufällig so ergeben hatte, aus den Plätzen, die sie vorn im Laster einnahmen, ließ sich der Rollentausch ableiten, der sich gerade vollzog. Auf dem Wege zum Markt, mit den Schweinen an Bord, war Aaron gefahren. Nun, während sie ohne ihre Fracht zurückkehrten, saß Lolly am Steuer.
Sie hatten bereits eine ziemliche Strecke zurückgelegt, als Aaron aufging, dass sie nicht geradewegs nach Hause fuhren, wo die überlebenden Schweine gewiss schon protestierten, weil ihre Fütterungszeit überschritten war. Sie waren nicht auf der Straße neben den zur See abfallenden Klippen, sondern hieltenauf die Stelle zu, an der das Haus von Aarons Tante Kitty gestanden hatte. Statt seiner wies die Uferlandschaft nun eine Aushöhlung auf, in der die Wogen aufschäumten. Das Haus, der Garten, der Weidegrund und ein leeres Grab waren von der unerbittlichen See hinabgezogen und verschlungen worden.
»Wo fahren wir eigentlich hin?«, fragte er.
»Wirst du schon sehen, wenn wir angekommen sind.«
»Du fährst dahin, wo das Haus stand. Soviel weiß ich.«
»Wenn du es weißt, brauche ich es dir ja nicht noch einmal zu sagen.«
»Aber warum willst du da hin?«
»Ist doch klar. Weil ich es eben will.«
»Da ist doch überhaupt nichts mehr. Nur die Klippen und das Meer, nicht einmal den Grund und Boden, auf dem das Haus stand, gibt es noch.«
»Wenn dort nichts ist, warum hast du was dagegen?«
»Ich hab nichts dagegen. Ich wundere mich bloß.«
»Vielleicht habe ich auch gar keinen Grund.«
»Du hast immer einen Grund.«
»Für alles gibt es ein erstes Mal.«
Als ihr Mann es aufgab, weitere Fragen zu stellen, hielt Lolly es für angebracht, ein bisschen zu sticheln. »Ich muss dir doch nicht immer alles sagen. Kann ich nicht einmal auch was für mich behalten?«
»Okay, okay.«
Sie kamen der Küste näher. Aaron richtete sich auf dem Beifahrersitz auf und studierte das Gesicht seiner Frau im Rückspiegel. Sie war wunderhübsch wie immer. Jetzt glättete sie eine Augenbraue, was gar nicht nötig war. Sie kräuselte die Lippen und entspannte sie wieder. Sie waren wie stets voll und schwellend. Kein Mann war so vom Glück verwöhnt wie er. Dann schaute er wieder geradeaus. Das war die Frau, die ihn liebte. Ihn, Aaron McCloud. Sie direkt fragen, was sie für ihn empfand, wollte er nicht, und so sagte er lediglich: »Zieht es dich dahin, wo wir uns eingestanden, dass wir ineinander verliebt sind? Ist es das?«
Ein knappes »Nein« war die Antwort.
»Willst du sehen, ob etwas vom Haus wieder ans Ufer gespült wurde?«
»Sag ich dir nicht.«
»Dann eben nicht.«
»Mach ich sowieso nicht.«
»Ist mir auch recht.«
»Mir ebenso.«
»Also lassen wir’s.«
Mit so viel Gleichmut, wie er aufbringen konnte, blickte Aaron durchs Seitenfenster. Sie fuhren auf einer schmalen Straße, die auf den Weg stoßen würde, der sich am Rand der Klippe hinschlängelte. Das war auch die Begrenzung des McCloud-Besitzes gewesen, auf dem stolz ein Steinhaus gestanden hatte, zwei Stockwerke hoch, mit ordentlich eingerichteten Zimmern. Aus einigen Fenstern sah man auf eine Wiese, die bis an die steil zur See abfallende Klippe reichte. Nichts davon war mehr vorhanden, die Wiese war im Laufe der Jahre Stück für Stück abgebröckelt, und das Haus selbst war schließlich wie ein riesiger Happen im Schlund der See verschwunden – und bei der Gelegenheit hatten Lolly McKeever und Aaron McCloud sowie Kieran Sweeney und Kitty McCloud sich ihre Liebe eingestanden. Im Moment, da sie von dem Haus und seiner vertrackten Geschichte befreit waren, vermochten sie, in ihre Herzen zu blicken, und zu ihrer Überraschung fanden sie eine Glut, die unauslöschlich ihr Leben in alle Ewigkeit durchglühen würde. Jedenfalls hofften sie das, erwarteten es.
Zu erwähnen bleibt noch, dass nicht nur die restliche
Weitere Kostenlose Bücher