0530 - Der Magus von Zypern
In der letzten Zeit war Jane Collins übersensibel geworden.
Vielleicht trug ihr schlimmes Schicksal daran die Schuld, sie hatte nicht weiter darüber nachgedacht, aber das Lachen störte sie sehr.
Es hatte sich sehr deutlich angehört, obwohl der Lacher sehr weit entfernt gewesen sein mußte.
Oder stand er etwa in ihrem Zimmer?
Der Gedanke erschreckte sie ebenfalls. Sie lag bisher auf dem Rücken, jetzt wälzte sie sich auf die Seite und schaute dorthin, wo sich das Fenster befand.
Das Rechteck zeichnete sich schwach ab. Ein grauer Ausschnitt, eingebettet in die Dunkelheit der Mauer. Nichts unterbrach diese glatte Fläche. Sollte sich tatsächlich jemand im Zimmer aufhalten, stand er zumindest nicht am Fenster.
Jane traute sich noch nicht, die Nachttischlampe anzuknipsen. Im Dunkeln richtete sie sich auf und blieb auf der Bettkante hocken.
Erst jetzt spürte sie, daß auch ihr Körper mit einer dünnen Schweißschicht bedeckt war. Sie fuhr sich mit beiden Händen durch das Gesicht, rieb sich die Augen und stand mit einem Ruck auf.
Der dünne Morgenmantel hing über der Stuhllehne. Jane streckte die Hand aus, nahm den Mantel an sich und warf ihn über. Erst dann ging sie auf das Fenster zu.
Sie hatte es vor dem Zubettgehen geschlossen. Normalerweise schlief sie bei offenem Fenster, doch am Abend hatte es gestürmt, und diese wilden Außengeräusche hätten sie einfach zu sehr gestört.
Zweige schabten an der Hauswand entlang.
Jane glaubte auch nicht daran, daß sie sich verhört hatte. Sie dachte über das Lachen nach.
Man konnte hämisch lachen, aber auch voller Freude oder Erleichterung.
Dann gab es ein triumphierendes Lachen, ein spöttisches und ein gemeines, hinterhältiges.
Diese negativen Punkte kamen für sie nicht in Frage. Das Lachen hatte sich anders angehört. Eher neutral, als hätte derjenige genau gewußt, was er tat und was mit ihr los war.
Jane überwand ihre Beklemmung, umfaßte den Fensterriegel und öffnete. Der Winter hatte sich kalendermäßig verabschiedet, inzwischen war der Frühling eingetroffen.
Nach dem großen Schnee hatte die Schmelze begonnen, Überschwemmungen, Hochwasser, das alles hatten die Menschen über sich ergehen lassen müssen. Der Frühling war zum Glück früher gekommen. Wärmere Luftmassen waren über die britischen Inseln hinweggeströmt, und das merkte auch Jane Collins.
Selbst die Nachtluft fuhr ihr nicht mehr so kühl ins Gesicht. Sie empfand den Wind sogar als angenehm.
Jane schaute in den Hof. Mitternacht war seit zwei Stunden vorüber. Hinter dem noch blattlosen Geäst der Bäume hoben sich schwach die Rückseiten der anderen Häuser ab, aber dort war kein Fenster erleuchtet. Die Bewohner lagen längst im tiefen Schlaf.
Sie entdeckte nichts. Der unheimliche Lacher befand sich draußen jedenfalls nicht. Oder er hatte sich so gut versteckt, daß sie ihn nicht erblicken konnte.
Es gab für sie nur mehr eine Lösung. Jemand hatte aus dem Unsichtbaren her gelacht, möglicherweise aus einer anderen Welt, jenseits der Dimensionen. Jane war darüber informiert, daß es zahlreiche schwarzmagische Reiche gab, in denen das große Chaos herrschte, und sie hatte auch schon oft genug Kontakt zu ihnen gehabt.
Sosehr sie auch grübelte, sie kam zu keiner Lösung und entschloß sich, alles weitere auf sich zukommen zu lassen.
Lady Sarah Goldwyn, in deren Haus sie lebte, hatte dieses Lachen auch nicht ausgestoßen. Jane hätte es sicherlich erkannt. Der Lacher mußte ein ihr Unbekannter sein. Dabei hatte sie nicht einmal unterscheiden können, ob es sich bei ihm um eine Frau oder einen Mann gehandelt hatte.
Sie schloß das Fenster wieder und trat zurück. Im Dunkeln ging sie zum Bett, wo sie sich auf der Kante niederließ und in die Dunkelheit des Zimmers starrte.
Diese Nacht war für Jane Collins gelaufen. Sie glaubte nicht daran, daß sie noch weiteren Schlaf finden konnte. Sie hoffte jetzt auch, daß sich das Lachen noch einmal wiederholte.
Oder befand sich der Lacher etwa im Haus?
Erst jetzt war ihr der Gedanke gekommen. Sie stand auf, ging zur Tür und öffnete leise. Der Blick fiel in den Flur. Eine dort leuchtende Lampe verbreitete einen warmen Schein, der auch bis in die Ecken drang. Dort war jedoch ebenfalls nichts zu erkennen. Keine Gestalt, kein Schatten, der sich bewegte.
Sie überlegte, ob sie Lady Sarah wecken sollte, nahm jedoch davon Abstand. Sie wollte die alte Dame nicht beunruhigen. Am Morgen war auch noch Zeit, mit ihr darüber zu
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