Das Schwert der Wahrheit 9: Die Magie der Erinnerung (German Edition)
Trotzdem wusste er, dass viele noch immer dieser Betrachtungsweise anhingen. Er wusste auch, dass seine Führerschaft in großen Teilen der Bevölkerung den Wunsch nach einem Leben in Freiheit geweckt hatte. Soweit es ihn persönlich betraf, hatten sich die Prophezeiungen jedoch als wenig hilfreich, ja oftmals als höchst problematisch erwiesen.
Richard zwang sich zu einem Lächeln. »Nicci, jetzt klingt Ihr wie eine Schwester des Lichts.« Das schien sie nicht zu amüsieren. »Cara wird mir zur Seite stehen«, versuchte er, ihre Besorgnis auszuräumen.
Die Worte waren kaum heraus, da wurde ihm bewusst, dass selbst Caras Gegenwart den Pfeil nicht hatte aufhalten können, der ihn niedergestreckt hatte. Und wenn er es sich recht überlegte, wo war sie während des Kampfes überhaupt gewesen? Er konnte sich nicht erinnern, sie an seiner Seite gesehen zu haben. Dabei scheute sie keinen Kampf; nicht einmal zehn Pferde würden sie davon abhalten können, ihn zu beschützen. Bestimmt war sie ganz in seiner Nähe gewesen, er erinnerte sich nur einfach nicht daran, sie gesehen zu haben.
Er nahm seinen breiten ledernen Übergurt auf und schnallte ihn um. Dieser Gürtel, wie auch die anderen Teile seines Anzugs, der einst einem mächtigen Zauberer gehört hatte, stammte aus der Burg der Zauberer, wo Zedd derzeit Stellung bezogen hatte, um sie vor Kaiser Jagang und seinen aus der Alten Welt anrückenden Horden zu beschützen.
Nicci stieß einen ungeduldigen Seufzer aus – und gewährte damit Einblick in ihre strenge und unversöhnliche Seite, die Richard nur zu gut kannte, die sich aber diesmal, wie er sehr wohl wusste, aus ihrer aufrichtigen Sorge um sein Wohlergehen speiste.
»Richard, wir können uns dieses Durcheinander einfach nicht leisten. Es gibt wichtige Dinge, über die wir dringend sprechen müssen. Nur deswegen habe ich dich überhaupt aufgesucht. Hast du meinen Brief etwa nicht erhalten?«
Richard stutzte. Brief … Brief … Dann endlich fiel es ihm wieder ein. »Doch, ich habe Euren Brief bekommen. Ich habe Euch sogar eine Antwort zukommen lassen – durch einen Soldaten, den Kahlan mit ihrer Kraft berührt hatte.«
Richard erhaschte Caras kurzen Seitenblick auf Nicci – einen überraschten Blick, der besagte, dass sie sich an nichts dergleichen erinnern könne.
Nicci taxierte ihn mit einem sonderbaren Blick. »Die Antwort, die du mir geschickt hast, ist nie bei mir angekommen.«
Leicht überrascht machte Richard eine Handbewegung Richtung Neue Welt. »Der Mann hatte vorrangig den Auftrag, nach Norden zu gehen und Kaiser Jagang zu eliminieren. Er war von der Kraft einer Konfessorin berührt worden und wäre eher gestorben, als ihren Befehl zu missachten. Aber vermutlich kann ihm ebenso gut schon vorher etwas zugestoßen sein. In der Alten Welt gibt es Gefahren genug.«
Der Ausdruck auf Niccis Gesicht gab ihm das Gefühl, ihr soeben einen weiteren Beweis dafür geliefert zu haben, dass er drauf und dran war, den Verstand zu verlieren. »Glaubst du allen Ernstes, selbst in deinen kühnsten Träumen, der Traumwandler wäre so leicht zu eliminieren?«
»Nein, natürlich nicht.« Er stopfte den Kochtopf, der sein Bündel ausbeulte, wieder zurück an seinen Platz. »Wir sind davon ausgegangen, dass der Soldat vermutlich bei dem Versuch getötet werden würde. Wir haben ihn auf Jagang angesetzt, weil er ein Schurke und Mörder war, der den Tod verdient hatte. Trotzdem, ich hatte die vage Hoffnung, er könnte vielleicht erfolgreich sein. Und wenn nicht, sollte das Wissen, dass jeder seiner Männer ein gedungener Mörder sein konnte, Jagang zumindest einige Stunden seines Schlafes rauben.«
Niccis viel zu regloser Miene war deutlich zu entnehmen, dass sie auch dies für nichts anderes als einen Teil seiner ausgeklügelten Selbsttäuschung über diese Frau aus seinen Träumen hielt.
Dann fiel ihm ein, was außerdem noch passiert war. »Allerdings wurden wir, kurz nachdem Sabar Euren Brief überbracht hatte, angegriffen. Bei dem Gefecht ist er ums Leben gekommen.«
Ein heimlicher Seitenblick auf Cara trug ihr ein bestätigendes Nicken ein.
»Bei den Gütigen Seelen«, machte Nicci ihrem Kummer über die Nachricht von dem jungen Sabar Luft – eine Gefühlsregung, die Richard teilte.
Er erinnerte sich noch gut an Niccis eindringliche Warnung, dass Jagang dazu übergegangen sei, Waffen aus mit der Gabe gesegneten Menschen zu entwickeln, wie schon einmal, während des Großen Krieges vor dreitausend Jahren.
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