Das Schwert der Wahrheit 9: Die Magie der Erinnerung (German Edition)
derselben Geistesstörung zum Opfer gefallen sein könnt -, dann müsste das bedeuten, dass das, was auch immer derzeit geschieht, einen Grund hat, und der ist bestimmt nicht angenehm.«
Der Gedanke schien Nicci so zu verstören, dass sie kein Wort hervorbrachte. Richard ließ sie los und wandte sich herum, um die Lasche seines Bündels festzuzurren.
Schließlich fand Nicci ihre Stimme wieder. »Begreifst du nicht, was du tust, Richard? Du fängst an, abwegige Vorstellungen zu entwickeln, um das zu rechtfertigen, was du selbst gern glauben möchtest. Du hast es selbst gesagt – Cara und ich können nicht derselben Geistesstörung zum Opfer gefallen sein. Bleib hier und ruh dich aus. Wir können versuchen, das Wesen dieses Traumes zu ergründen, der in deinem Verstand so hartnäckig Wurzeln geschlagen hat, und ihn hoffentlich wieder richten. Vermutlich habe ich selbst ihn durch irgendetwas ausgelöst, als ich dich zu heilen versuchte. Wenn dem so ist, dann tut es mir Leid. Bitte, Richard, bleib erst einmal hier.«
Ihr einziges Interesse galt ausschließlich dem, was sie als das Problem betrachtete. Schon sein Großvater Zedd, der Mann, der ihn großzuziehen geholfen hatte, hatte damals oft gesagt: Denk nicht über das Problem, sondern über seine Lösung nach . Die Lösung, auf die er sich jetzt konzentrieren musste, war, wie Kahlan gefunden werden konnte. Er wünschte sich, auf Zedds Hilfe zurückgreifen zu können, um das Rätsel ihres derzeitigen Aufenthaltsortes zu lösen.
»Du bist noch immer ernsthaft in Gefahr«, beharrte Nicci, während sie den durch das löchrige Dach sickernden Regentropfen auswich. »Jede übermäßige Anstrengung könnte verhängnisvolle Folgen haben.«
»Dessen bin ich mir bewusst – wirklich.« Richard prüfte das Messer, das er im Gürtel trug, und schob es wieder in seine Scheide zurück. »Jedenfalls habe ich nicht die Absicht, Euren Rat in den Wind zu schlagen. Ich werde mich, so gut es irgend geht, schonen.«
»Richard, hör mir zu.« Nicci rieb sich die Schläfen mit den Fingerspitzen, als hätte sie Kopfschmerzen. »Es geht um mehr als das.«
Sie suchte nach den passenden Worten. »Du bist nicht unbesiegbar. Du magst vielleicht dieses Schwert tragen, aber immer kann es dich auch nicht schützen. Deine Vorfahren – und zwar jeder einzelne deiner Vorgänger im Amt des Lord Rahl – haben sich darüber hinaus stets mit Leibwächtern umgeben, und das, obwohl sie ihre Gabe meisterlich beherrschten. Du magst mit der Gabe geboren sein, aber selbst wenn du sie angemessen zu gebrauchen wüsstest, könnte dir diese Macht keinen sicheren Schutz gewähren – erst recht nicht jetzt.
Der Bolzen hatte lediglich den Zweck, dir zu zeigen, wie verwundbar du tatsächlich bist. Du magst ein bedeutender Mann sein, Richard, aber du bist nur ein Mann. Wir alle sind auf dich angewiesen, Richard – unbedingt.«
Der gequälte Ausdruck in Niccis blauen Augen bewog Richard, den Kopf abzuwenden. Natürlich war er sich seiner Verwundbarkeit sehr wohl bewusst. Das Leben war sein höchstes Gut, er betrachtete es nicht als Selbstverständlichkeit. Er beschwerte sich so gut wie nie, dass Cara nicht von seiner Seite wich. Sie und die übrigen Mord-Sith, aber auch alle anderen Leibwächter, die er geerbt hatte, hatten mehr als einmal ihre Nützlichkeit bewiesen, was aber nicht bedeutete, dass er hilflos war oder sich erlauben durfte, aus falsch verstandener Vorsicht das Notwendige zu unterlassen.
Mehr noch, allmählich dämmerte ihm, worauf Nicci eigentlich anspielte. Während seiner Zeit im Palast der Propheten hatte er die Erfahrung gemacht, dass ihn die Schwestern des Lichts für einen Mann hielten, der zutiefst in uralte Prophezeiungen verstrickt war – er war für sie ein Dreh- und Angelpunkt des historischen Geschehens.
Wenn ihre Seite über die dunklen Mächte triumphieren wollte, die gegen sie angetreten waren, dann war dies nach Ansicht der Schwestern nur möglich, wenn Richard sie zum Sieg führte. Ohne ihn, so die Prophezeiungen, würde alles verloren sein. Ihre Prälatin, Annalina, hatte einen Großteil ihres Lebens darauf verwendet, die Ereignisse dahingehend zu manipulieren, dass sein Überleben gesichert war und er heranwachsen und sie in diesen Krieg führen konnte. Wenn man sie reden hörte, dann ruhten die Hoffnungen für alles, was ihnen lieb und teuer war, auf seinen Schultern. Dankenswerterweise hatte zumindest Kahlan ihren Übereifer in diesem Punkt ein wenig gedämpft.
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