Das Schwert der Wahrheit 9: Die Magie der Erinnerung (German Edition)
der Menschheit eingesetzt hatte, eine Arbeit, die nie ein Ende zu nehmen schien. Für Wälder und Felder hatte sie sich nie interessiert.
Nicci hatte die Schönheit der Hügel, Bäume, Bäche, Seen und Berge erst zu würdigen gelernt, nachdem sie Richard begegnet war. Sogar die Städte hatte sie danach mit ganz neuen Augen gesehen. Dank Richard hatte sich für sie das Leben in ein einziges Wunder verwandelt.
Vorsichtig tastete sie sich über den schlüpfrigen, dunklen Fels eines kurzen Anstiegs, bis sie die übrigen Männer schließlich vor sich sah, die ruhig unter den ausladenden Zweigen eines alten Ahornbaumes warteten. Ein Stück abseits war Richard in die Hocke gegangen, um eine Stelle des Waldbodens zu untersuchen. Schließlich erhob er sich und starrte in die dunkle Weite der dahinter liegenden Wälder. Neben ihm stand Cara, sein allgegenwärtiger Schatten, deren roter Lederanzug der Mord-Sith unter dem dichten Laubdach aus wohltuendem Grün hervorstach wie ein Blutfleck auf der blütenweißen Tischdecke beim Tee.
Das vor ihnen liegende Gelände war mit toten Soldaten übersät, deren Verwesungsgestank jedermann stark zusetzte. Einem beträchtlichen Teil der Männer fehlten Kopf oder Gliedmaßen, einige lagen halb versunken in Tümpeln stehenden Wassers. Viele waren bereits von den Raben und anderen Tieren heimgesucht worden, die sich die Gelegenheit, welche sich ihnen in Gestalt der klaffenden Wunden bot, nicht hatten entgehen lassen. Die schweren Lederrüstungen, die dicken Felle und mit Nieten besetzten Gürtel, die Kettenpanzer sowie eine Vielzahl schauriger Waffen – all das nützte diesen Soldaten nichts mehr. Da und dort hielten die Knöpfe die über den aufgedunsenen Körpern spannenden Kleidungsstücke mit knapper Not zusammen, so als wollten sie einen letzten Rest von Würde wahren, wo es so etwas wie Würde nicht mehr gab.
Alles – vom Fleisch und den Gebeinen der Männer bis zu ihren fanatischen Glaubensvorstellungen – würde in diesem vergessenen Fleckchen Wald zurückbleiben und verrotten.
Jenseits des stehenden Gewässers ging Richard abermals in die Hocke und untersuchte den Waldboden. Niemand konnte sich vorstellen, wonach er suchte.
Von den unter einem Baum wartenden Männern schien keiner auch nur im Mindesten daran interessiert, den Schauplatz des wüsten Gemetzels noch einmal zu betreten oder sich die Toten anzusehen, stattdessen gaben sie sich damit zufrieden, dort auszuharren, wo sie waren. Das Töten ging diesen Männern gegen die Natur und war ihnen nicht eben leicht gefallen; zwar kämpften sie für eine gerechte Sache und taten, was sie tun mussten, aber sie fanden keinen Gefallen daran. Sie hatten Richard zwischen diesen Barbaren hindurchschlüpfen sehen, wobei er sein Schwert mit der fließenden Eleganz eines Tanzes geführt hatte. Es war ein faszinierender Anblick gewesen: Mit jedem Stoß oder Hieb starb ein Soldat. Victor und die übrigen Männer seiner Truppe waren nichtsdestoweniger gerade noch rechtzeitig gekommen – wenige Augenblicke, bevor auch Nicci am Ort des Geschehens eintraf. Victors Männer hatten sich Hals über Kopf in das Kampfgetümmel gestürzt und die Aufmerksamkeit von Richard abgelenkt. Kaum war Nicci eingetroffen, machte sie dem Geschehen mit einem gleißenden Lichtblitz ein Ende, indem sie ihre Kraft gegen jene Soldaten entfesselte, die sich noch auf den Beinen hielten.
Aus Angst, nicht nur dem aufziehenden Unwetter ausgesetzt zu sein, sondern – was weitaus besorgniserregender war – einer womöglich riesigen Soldatenhorde, die jeden Augenblick am Schauplatz des Geschehens auftauchen konnte, hatte Nicci die Männer angewiesen, Richard durch den Wald zurück zu der abgeschieden gelegenen Bauernkate zu tragen. Während dieses schrecklichen Wettlaufs an einen sicheren Ort hatte sie nichts weiter für ihn tun können, als ihm ein wenig ihres Han einzuflößen, in der Hoffnung, ihn damit am Leben zu halten, bis sie sich eingehender würde um ihn kümmern können.
Jetzt schaute sie aus einiger Entfernung zu, wie Richard seine gewissenhafte Untersuchung des Kampfplatzes fortsetzte, die Gefallenen dabei größtenteils außer Acht ließ und sein Augenmerk stattdessen vor allem auf das umliegende Gelände richtete. Mittlerweile war er dazu übergegangen, bei seiner Suche methodisch auf und ab zu gehen, wobei er sich immer weiter von der kleinen Lichtung entfernte und den Schauplatz des Geschehens in immer weiteren Bogen umkreiste. Mitunter kroch er
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