Das Schwert der Wahrheit 9: Die Magie der Erinnerung (German Edition)
Moment hatte Richard Mühe, sich einen Grund zu überlegen, warum er sich dem widersetzen sollte, spontan fiel ihm jedenfalls keiner ein. Er brachte es einfach nicht über sich, den Blick von ihren bezaubernden Augen loszureißen. Es war, als zöge ihm die schlichte Freude, in Niccis liebreizendes Antlitz zu schauen, den Boden unter den Füßen weg.
»Falls es das ist, was du mir vorschlägst, dann bin ich gerne einverstanden.«
Mittlerweile hatte sie ihn so eng umgarnt, dass er den süßen Hauch ihrer Worte auf seinem Gesicht spüren konnte. Sie schloss die Augen. Ihre weichen Lippen legten sich zu einem zarten, schwelgerischen Kuss auf seine, den er jedoch nicht erwiderte – er schob sie aber auch nicht zurück.
Als ihre Arme ihn in eine immer innigere Umarmung, in den Kuss hineinzogen, schien sein ganzes Denken durcheinander zu geraten, und er fühlte sich wie gelähmt. Mehr noch als der Kuss war es diese Umarmung, die eine schreckliche Sehnsucht nach dem tröstlichen Gefühl beständigen Beistands wachrief, nach hingebungsvollem Schutz und zärtlicher Bestätigung. Mehr als alles andere war es die Verheißung dieses so lange vermissten Trosts, die ihm allen Wind aus den Segeln nahm.
Er spürte, wie sich ihr Körper mit jedem Zoll, jeder Rundung, jedem sanften Schwung an ihn schmiegte. Ganz bewusst versuchte er, an etwas anderes zu denken als an diesen Kuss, diese Umarmung und diesen Körper, und doch hätte er sich um nichts in der Welt daran erinnern können, was es war. In Wahrheit bereitete es ihm bereits enorme Schwierigkeiten, überhaupt zu denken.
Und schuld daran war ebendieser Kuss. Es war ein Kuss, der ihn vergessen ließ, wer er war und warum er hier war, und doch schien es seltsamerweise kein Kuss zu sein, der Liebe oder auch nur sinnliche Lust verhieß. Er wusste selbst nicht recht, was er verhieß, fast schien es, als wäre eine Bedingung daran geknüpft.
Sicher wusste er nur eins: Er war vollkommen anders als der Kuss, den Nicci ihm kurz vor seiner Abreise im Stallgebäude gegeben hatte. Jener Kuss war, wenn nichts sonst, erfüllt gewesen von der außerordentlichen Freude und Klarheit der Magie. Es war ein Kuss gewesen, hinter dem er die wahre Nicci gespürt hatte. Aber dies war eben nicht Nicci, trotz der täuschend echten Illusion, und auch der Kuss selbst schien bestenfalls so unwiderstehlich wie eine große Last, ohne jedoch sonderlich … erotisch zu sein. Nichtsdestoweniger drohte er ihn mit seinen vorsichtigen Fragen und stummen Verheißungen in seinen Bann zu schlagen.
»Nicci oder Shota, wer immer Ihr sein mögt«, knurrte Cara mit zusammengebissenen Zähnen, die geballten Fäuste in die Hüften gestemmt, »was glaubt Ihr eigentlich, was Ihr da tut?«
Sie löste sich, drehte, ihre Wange noch immer an Richards geschmiegt, leicht den Kopf und musterte sie fragend. Kraulend bahnten sich ihre zarten Finger einen Weg durch das Haar an seinem Hinterkopf. Richard drehte sich der Verstand.
Cara wich leicht zurück, als Shota, in Niccis Gestalt, der Mord-Sith voller Zartgefühl die leicht geöffnete Hand unter das Kinn legte.
»Nun … gewiss nichts anderes als das, was auch Ihr gern tätet.«
Cara trat noch einen vollen Schritt zurück und entzog ihr Gesicht so der beschwichtigenden Geste. »Was?«
»Das ist es doch, was Ihr wollt, oder sollte ich mich täuschen? Ich finde, Ihr solltet mir eher dankbar sein, dass ich Euch bei Eurem großen Plan helfe.«
Cara stemmte die Fäuste in die Hüften. »Ich habe keinen Schimmer, wovon in aller Welt Ihr überhaupt sprecht.«
»Warum so erbost?« Ihr Lächeln bekam etwas Durchtriebenes. »Die Idee stammt schließlich nicht von mir, sie stammt von Euch. Es ist Euer Plan – den Ihr ganz allein ausgebrütet habt. Ich helfe Euch einfach nur, ihn in die Tat umzusetzen.«
»Wie kommt Ihr darauf …?« Cara schienen die Worte auszugehen.
Der Blick aus ihren blauen Augen, die so sehr Niccis glichen, wanderte zu Richard. Ihr Lächeln kehrte zurück, als sie seine Züge aus nächster Nähe prüfend musterte.
»Diese junge Frau ist eine so teure Freundin und Beschützerin. Hat deine teure Freundin und Beschützerin dir eigentlich schon verraten, was sie alles für dich ausersehen hat, Richard?« Sie berührte seine Nase mit dem Finger. »Und was das erst für Pläne sind! Sie hat dein ganzes restliches Leben verplant und für dich arrangiert. Du solltest sie wirklich einmal fragen, was sie für dich ausersehen hat.«
Plötzlich dämmerte es Cara,
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