Das Schwert des Normannen: Roman (Knaur TB) (German Edition)
»Ich will davon nichts haben. Ich kehre auch nicht mehr zum Heer zurück. Ich bleibe fortan in Melfi.« Er machte ein verlegenes Gesicht. »Es mag euch erstaunen, aber ich habe genug vom Kriegshandwerk. Von Rauben, Plündern und Töten.«
Wir sahen ihn verständnislos an. »Was ist denn in dich gefahren?«
»Die Sache mit diesem Pandulf, zum Beispiel, fandet ihr das richtig? Du hast ihn einfach ermordet, Gilbert. Dabei heißt es, allein dem Herrn gebührt die Rache.«
Ich sah ihn schuldbewusst an.
Aber Thore hatte keine solchen Bedenken. »Das einzig Ungute daran war, dass Gilbert noch ein bisschen mit dem Schwert üben muss«, sagte er und feixte ausgelassen. »Sein ungeschicktes Gemetzel war ja wohl erbärmlich.«
Fulko warf ihm einen wütenden Blick zu. »Ist dir gar nichts heilig, Thore? Machst du dich über alles lustig und über nichts Gedanken?«
Thore zog gleichmütig die Schultern hoch. »Du willst in allem einen Sinn finden. Und wenn dir nichts einfällt, dann bemühst du deinen Gott. Ich sage dir aber, es gibt gar keinen Sinn. Welchen Sinn sollte wohl Reynards Tod haben? Kannst du mir das sagen? Der Mensch wird geboren, und er stirbt. Wenn er dazwischen ehrenhaft lebt, ist es gut verlaufen. Wenn nicht, wie bei diesem Pandulf, dann hat er es nicht verdient, weiterzuleben.«
Ich war erstaunt über diese lange Rede. Doch Fulko schüttelte nur den Kopf über so viel Unverständnis aus seiner Sicht.
»Wie gesagt«, fuhr er fort, ohne weiter darauf einzugehen, »ich habe genug von alldem. Das Leben hat Besseres zu bieten, als andere umzubringen.«
»Und was hast du vor?«, fragte ich.
»Ich werde Priester.«
Wir starrten ihn mit großen Augen an.
Er aber lächelte. »Seit unserem Überfall auf Sant’Angelo habe ich darüber gegrübelt, was recht ist und was ich tun kann, um für meine Sünden Buße zu tun. Und schließlich hat Gott mir den Weg gezeigt. Ich habe lange mit dem alten Priester in Melfi gesprochen. Er wird mir alles beibringen.«
»Aber geht das so einfach?«, fragte Thore, der sich wie ich noch kaum von seiner Überraschung erholt hatte. »Muss man da nicht Latein können?«
»Ich werde es lernen und mich dann in Salerno weihen lassen. Ich werde Onfroi bitten, Drogos Versprechen einzulösen und eine neue Kirche zu bauen.«
»Und was sagt Robert dazu?«
»Er ist einverstanden.«
»Donnerwetter«, murmelte Thore.
»Mich kriegst du da aber nicht rein«, sagte ich.
»Wer weiß, Gilbert? Der Herr ist geduldig.«
Der weitere Ritt verlief ohne besondere Ereignisse, und am späten Nachmittag des dritten Tages erreichten wir Melfi.
»Wo kommt ihr her?«, riefen die Wachen am Tor. »Gibt es Neuigkeiten?«
Sofort sammelten sich viele, Männer wie Frauen, um uns. Sogar Kinder kamen angelaufen. Die Gesichter, die zu uns aufschauten, waren ängstlich und besorgt.
»Wir haben gesiegt!«, rief ich mit lauter Stimme. »Wir haben das Heer des Papstes geschlagen und die Truppen des Kaisers. Benevento gehört uns. Sagt es allen weiter.«
Jubel brach aus. Die gute Kunde flog von Mund zu Mund. Fragen stürmten auf uns ein, doch wir drängten uns durch die Menge und ritten zur Burg. Bevor ich Gerlaine in die Arme schließen durfte, wollte ich mich gleich meines Auftrags entledigen und Gaitelgrima berichten.
»Wir warten auf dich in der Halle«, sagte Thore, als wir aus dem Sattel stiegen. »Für einen Schluck wirst du ja wohl noch Zeit haben.«
Gaitelgrima empfing mich nicht weniger beunruhigt und höchst begierig, endlich zu erfahren, wie es uns ergangen war, auch wenn sie sich bemühte, die Fassung zu wahren.
Ich kniete kurz und beugte mein Haupt. Dann erhob ich mich und grinste ihr keck zu. »Ich entbiete Euch die herzlichsten Grüße Eures Gemahls, Domina.«
»Er lebt also?«, hauchte sie.
»Er lebt und ist unverletzt. Bei Civitate ist es zu einer gewaltigen Schlacht gekommen. Und, stellt Euch vor, Herrin, wir Normannen haben gesiegt.«
Sie stand eine Weile still, immer noch halb erstarrt, als müsste sie die Botschaft erst verdauen. Dann atmete sie tief durch, schloss kurz die Augen und bekreuzigte sich.
»Wir haben sogar den Heiligen Vater gefangen genommen. Es finden Friedensverhandlungen statt in Benevento. Und auch von Argyros droht uns keine Gefahr mehr.«
»Grazie a Dio«, murmelte sie. »Meinen Bruder wird es so sehr freuen.«
Ich warf ihr einen überraschten Blick zu. Ihren Bruder Guaimar würde es freuen? Nicht sie selbst? Sofort kamen mir Pandulfs unselige Worte in den
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