Das Schwert des Normannen: Roman (Knaur TB) (German Edition)
der Papst erschien zu Pferde, gefolgt von wenigen Getreuen. Die Bewohner des Ortes hatten ihn angefleht, weiteres Blutvergießen zu vermeiden. Onfroi, Robert, Richard, der Held des Tages, und die anderen Barone erwarteten ihn zu Fuß.
Leo stieg vom Pferd und trat vor, um sich zu ergeben. Seine Rüstung hatte er abgelegt, trug nur einen dicken Mantel über einem einfachen Mönchshabit. Hier stand der Herr aller Christen wie ein armer Büßer mit entblößtem Haupt im Regen und wartete ergeben darauf, was nun mit ihm geschehen würde. Seine Bezwinger waren ausgerechnet Tancreds Söhne aus dem kleinen Dorf Hauteville, die mit nichts als großen Träumen und ein paar Kriegern in die Welt gezogen waren und nun sogar dem Papst ihren Willen aufdrücken konnten.
Doch zu aller Überraschung trat Onfroi vor, kniete vor Leo nieder und küsste seinen Fischerring. Und alle Normannenführer taten es ihm nach. Sie hatten gesiegt, aber den Papst zu demütigen schien ihnen wenig klug, nach allem, was geschehen war.
Der Regen hörte bald auf, und noch am gleichen Abend bezogen wir das ehemalige Lager unserer Feinde. Deren Zelte waren besser und bequemer. Alles Wertvolle war von Onfrois Männern gesichert worden und würde später nach altem Brauch unter den Anführern und ihren Männern aufgeteilt werden. Inzwischen feierten wir den Sieg und stopften uns mit Essen voll bis zum Erbrechen. An den vor feuchtem Holz qualmenden Feuern wurde gesungen und gesoffen, bis die meisten nicht mehr stehen konnten. Wir beweinten Kameraden, die wir verloren hatten, tranken auf ihr Wohl und gedachten ihrer Taten. Geschichten wurden erzählt und zotige Witze gerissen. Rollo prügelte sich mal wieder, und Ragnar hätte sich trotz Verwundung duelliert, wäre er nicht zu betrunken gewesen.
Spät am Abend, im Schein der Wachfeuer, fand Robert mich in der Menge und bat mich, ein paar Schritte mit ihm zu gehen.
»Es tut mir leid, dass ich dir das zugemutet habe.«
»Der Scheißkerl hat es wenigstens verdient«, erwiderte ich, denn inzwischen hatte ich mich wieder etwas beruhigt.
»Es ist dir nicht leichtgefallen. Das kann ich gut verstehen.« Er legte den Arm um meine Schulter. »Aber er wäre davongekommen, um seine mörderischen Spiele weiter zu treiben. Einmal in Capua hätte es keine Richter gegeben, um ihn zu bestrafen. Und wo kein Richter, da gilt immer noch die Blutrache, auch wenn sie nicht christlich ist.«
»Ich scheiße darauf, ob es christlich ist«, unterbrach ich ihn grob. »Aber er war unbewaffnet.«
»Du hast unseren Bruder gerächt«, fuhr er fort, als hätte er mich gar nicht gehört. »Wie sollen wir den Respekt unserer Leute bewahren, wenn wir Mörder nicht bestrafen? Wie wollen wir uns in diesem Land behaupten, wenn wir nicht einmal die Unsrigen verteidigen?«
Ich verstand, was er sagen wollte. »Und wie geht es jetzt weiter?«
»Der Papst hat sich bereit erklärt, uns die Stadt Benevento zu öffnen. Dort wird er bleiben, bis sein Lösegeld eintrifft.«
»Ich dachte, ihr habt ihm gehuldigt als eurem Herrn.«
Robert lächelte milde, als hätte ich etwas Dummes gesagt. »Natürlich. Es soll ja auch jeder glauben, dass wir uns ihm unterwerfen, ihn als Oberhaupt anerkennen. Wir ehren ihn als Gottes Vertreter auf Erden, behandeln ihn mit Würde und Respekt. Trotzdem ist er unser Gefangener, und das bedeutet, dass er auch uns respektieren muss. Wir haben uns den Sieg hart genug erkämpft. Mit diesem Tag aber bricht eine neue Zeit an im Mezzogiorno. Nun sind wir wahrhaft Fürsten geworden in diesem Land. Niemand wird uns mehr wie Schurken und Wegelagerer behandeln können, niemand wird uns mehr vertreiben.«
Ja, verdammt. Es war schon ein rechtes Wunder.
Robert blieb stehen und sah mich an. »Ich möchte, dass du die gute Nachricht nach Melfi bringst. Such dir eine Handvoll Männer aus und reite gleich morgen früh.«
Ich würde also am Morgen wieder meine Sachen aufs Pferd schnallen, um den langen Weg zurück anzutreten. Aber ich tat es gern, denn Melfi war jetzt mein Zuhause geworden, wo Gerlaine auf mich wartete.
Epilog
A ls nach der ausgelassenen Siegesfeier der Morgen über Lager und Schlachtfeld dämmerte und die Überlebenden erwachten, war eine allgemeine Ernüchterung zu spüren. Kaum jemand, der nicht irgendeine Verwundung zu beklagen hatte, ganz zu schweigen von den vielen Toten. Wir hatten gesiegt, aber zu welchem Preis.
Fulko und Thore boten an, mich auf meiner Reise zu begleiten, was mir mehr als willkommen war.
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