Das Schwert des Ostens: Krimi (German Edition)
was?“
Langsam kam ich in Schwung: „Ich will aber morgen Früh auf dem Klo mal die Wahrheit lesen, nicht immer nur euren Scheiß über die Türken, die sind mir nämlich mittlerweile ein bisschen ans Herz gewachsen mit ihrer Zwiebel zwischen den Beißerchen!“
Er nahm seine Brille ab, deutet damit auf mich, rieb sich die Augen und sagte: „Ach ja, deine Geschichte. Also erzähl mal, aber halt dich bitte kurz, okay?“
Ich erzählte ihm meine Geschichte, und zwar von den Anfängen sozusagen, als Darjeeling-Silke aus Tirol in die Stadt gezogen war usw., aber schon bald unterbrach er mich und sagte: „Gut und schön, aber was ist die Story, Alter?“
Ich erzählte weiter, wie Silke von einem Kollegen vom Schmetterling geschwängert worden war – das gefiel ihm, aber er sah darin keine Story –, bis sie im Laufe ihrer Schwangerschaft daranging, sich das Viertel nach ihren eigenen Vorstellungen zurechtzudenken, und immer wieder fragte er mich: „Aber was ist die Story, Alter?! Was?! Vegetarierin ermordet Wursthändler? Oder: Schwarz gekleideter Schreiber einer Stadtzeitung heuert Mörder an? Scheiße, Alter! Jetzt haben wir bald genug Stoff für eine ganze Serie, aber eine Schlagzeile haben wir noch immer nicht, ich schlaf’ gleich ein!“
Noch einmal fragte ich verzweifelt: „Kapierst du’s denn nicht?“
Aber er blieb dabei: „Nein!“
Langsam ging er mir echt auf den Sack mit seiner Begriffsstutzigkeit. Und der ganze Fall ging mir insgesamt langsam auch auf den Sack. Was interessierte es mich, ob die beiden in der Zeitung standen oder nicht! Ich hatte mich da vielleicht etwas zu weit aus dem Fenster gelehnt und persönliche Ressentiments einfließen lassen, was immer schlecht war, wenn man einen Job erledigte. Ich ermahnte mich also: Rock, sei Profi! Geh nach Hause.
Da fing der Kerl wieder an zu reden: „Seit es diese kleinen Kameras gibt und seit jeder nachts an seinem Computer sitzt und E-Mails schreibt, die er dann besoffen abschickt und für die er sich in der Regel erst am Morgen schämt, seither läuft das alles in unserer Branche ein bisschen aus dem Ruder. Jeder, der seinen eigenen Scheißhaufen fotografiert, hat eine nicht kleine Chance, dass er das bei uns unterbringt, bei uns kann schließlich jeder Zeitung machen, verstehst du? In dieser Branche gibt es ohnehin schon verdammt viele Irre, und jetzt gibt es noch die ungezählten Gestirne, die jeden Tag zu uns hereinwollen. Aber ich bin Profi, Herrgott, ich bin seit dreißig Jahren dabei!“
Ich sagte „Langweilig!“ und wollte schon aufstehen und gehen, aber er redete einfach weiter.
„Kennst du zum Beispiel unseren King of Ottakring, den Dichter? Ich verrate dir nicht zu viel, wenn ich dir sage, dass es sich bei dem um eine Hausfrau aus Floridsdorf handelt, die dort inmitten einer von Migration geprägten Gegend, wie man so schön sagt, in einer kleinen Gemeindewohnung lebt, mehr recht als schlecht. Sie fing an, uns in Reimform gehaltene Leserbriefe zu schreiben, gegen die Türken und Kanaken und so weiter. Sie war echt gut! Ich hab’ sie dann mal besucht, es stank fürchterlich nach Wein, aber das war scheißegal! Sie trifft einfach die Stimmung im Volk, und die Veröffentlichungen geben ihr Selbstvertrauen, also warum nicht, vielleicht kommt sie ja durch uns mal aus ihrem Loch raus und schafft es bis ganz nach oben, Pulitzerpreis und so? Es ist doch schön, wenn sich die Leser so mit ihrer Zeitung identifizieren!“
Gegen die heimische Zeitungsbranche war die internationale Pornobranche aufrichtig und gut, und die Drogenbranche war ein Hort der Sauberkeit und Ehrlichkeit dagegen. Ich war wirklich enttäuscht von den ganzen Lügen und fragte: „Dann gibt es also nicht einmal Ivanka, die kühle Russin?“
Er sagte: „Nein.“
Ich ging zur Tür. Ich wollte wieder hinunter und zurück zu den meinen. Ich hatte schon die Hand an der Schnalle, da drehte ich mich noch einmal um, denn das sollte er noch wissen:
„Ich kenne aber einen, der hatte mal eine Zeitung, die schrieben nur die Wahrheit.“
Er lachte und fragte: „Ach ja? Und wie hieß dieses Blatt?“
Ich sagte: „ New Music Chronicle .“
Plötzlich hustete er wie verrückt und schaute mich mit gierigen, großen Augen an. Er bat mich, wieder zu ihm zurückzukommen und mich zu setzen, und aufgeregt fragte er dann: „Scheiße, du kennst Kurti Lemminger?“
Ich sagte: „Lemmy ist mein Freund, verstehst du? Mein Freund!“
Der Kerl lehnte sich ganz weit zu mir
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