Das Schwert in Der Stille
mich töten«, sagte ich schließlich.
»Es gibt Schlimmeres als den Tod! Wenn sie dich töten, werde ich mich töten und dir folgen.« Sie nahm meine Hände in die ihren und beugte sich zu mir. Ihre Augen brannten, ihre Hände waren trocken und heiß, die Knochen so zart wie die eines Vogels. Ich spürte das Blut unter der Haut rasen. »Wenn wir nicht zusammen leben können, sollten wir zusammen sterben.«
Ihre Stimme klang drängend und erregt. Die Nachtluft schien plötzlich eisig. In Liedern und Liebesgeschichten gingen Paare aus Liebe gemeinsam in den Tod.
Mir fiel ein, was Kenji zu Shigeru gesagt hatte: Du bist in den Tod verliebt wie deine ganze Klasse. Kaede gehörte der gleichen Klasse an, sie hatte den gleichen Hintergrund, ich aber nicht. Ich wollte nicht sterben. Ich war noch nicht einmal achtzehn Jahre alt.
Alein Schweigen war ihr Antwort genug. Ihr Blick forschte in meinem Gesicht. »Ich werde nie einen anderen als dich lieben«, sagte sie.
Wir hatten uns kaum je gerade angeschaut. Unsere Blicke waren immer verstohlen und heimlich gewesen. Jetzt, da wir uns trennten, konnten wir uns ungeachtet aller Sittsamkeit und Scham offen in die Augen sehen. Ich spürte ihren Schmerz und ihre Verzweiflung. Ich wollte ihr Leiden mildern, aber ich konnte nicht tun, worum sie mich gebeten hatte. Während ich ihre Hände hielt und ihr tief in die Augen schaute, kam aus meiner Verwirrung eine Art Kraft. Ihr Blick wurde intensiver, so, als ertrinke sie. Dann seufzte sie und schloss die Augen. Ihr Körper schwankte. Shizuka sprang aus dem Schatten und fing die Fallende auf. Gemeinsam legten wir sie vorsichtig auf den Boden. Sie schlief tief, so wie ich damals unter Kikutas Augen im Versteck.
Ich schauderte, plötzlich fror ich entsetzlich.
»Das hätten Sie nicht tun sollen«, flüsterte Shizuka.
Ich wusste, dass meine Kusine Recht hatte. »Ich wollte es nicht. Ich habe es nie zuvor bei einem Menschen getan. Nur bei Hunden.«
Sie schlug mir auf den Arm. »Gehen Sie zu Kikuta. Gehen Sie und lernen Sie, Ihre Fähigkeiten zu beherrschen. Vielleicht werden Sie dort erwachsen.«
»Wird mit ihr alles in Ordnung sein?«
»Ich kenne mich mit diesen Kikutadingen nicht aus«, sagte Shizuka.
»Ich habe vierundzwanzig Stunden lang geschlafen.«
»Wahrscheinlich haben Ihre Einschläfer gewusst, was sie machten«, gab sie zurück.
Aus weiter Ferne unten am Bergpfad hörte ich Leute näher kommen. Zwei Männer gingen leise, aber nicht leise genug für mich.
»Sie kommen.«
Shizuka kniete sich neben Kaede und hob sie mit ihrer gewandten Kraft hoch. »Leben Sie wohl, Vetter.« Es klang immer noch wütend.
»Shizuka«, fing ich an, als sie zum Zimmer ging. Sie blieb einen Augenblick stehen, drehte sich aber nicht um.
»Mein Pferd, Raku - wirst du dich darum kümmern, dass Lady Shirakawa es nimmt?« Ich hatte sonst nichts, was ich ihr geben konnte.
Shizuka nickte und verschwand in den Schatten. Ich hörte, wie die Tür aufgeschoben wurde, ihren Schritt auf den Matten, das leise Knarren des Bodens, als sie Kaede niederlegte.
Ich ging zurück in mein Zimmer und suchte meine Sachen zusammen. Ich besaß so gut wie nichts: den Brief von Shigeru, mein Messer und Jato. Dann ging ich zum Tempel, wo Makoto meditierend kniete. Ich berührte ihn an der Schulter; er stand auf und ging mit mir hinaus.
»Ich gehe«, flüsterte ich. »Sag es keinem vor dem Morgen.«
»Du könntest hier bleiben.«
»Es ist unmöglich.«
»Dann komm zurück, wenn du kannst. Wir können dich hier verbergen. Es gibt so viele Verstecke in den Bergen. Niemand wird dich je finden.«
»Vielleicht brauche ich das eines Tages. Ich möchte, dass du mein Schwert für mich aufbewahrst.«
Makoto nahm Jato. »Jetzt weiß ich, dass du zurückkommst.« Er streckte die Hand aus und fuhr den Umriss meines Mundes nach, des Wangenknochens, des Nackens.
Ich war leicht benommen vor Schlaflosigkeit, vor Leid und Begierde. Ich wollte mich hinlegen und von jemandem gehalten werden, doch die Schritte überquerten jetzt den Kies.
»Wer ist da?« Makoto drehte sich um, das Schwert schlagbereit in der Hand. »Soll ich den Tempel wecken?«
»Nein! Das sind die Leute, mit denen ich gehen muss. Lord Arai darf es nicht wissen.«
Die beiden, mein früherer Lehrer Muto Kenji und der Kikutameister, warteten im Mondlicht. Sie waren in Reisekleidung und wirkten unauffällig, ziemlich ärmlich, wie zwei Brüder vielleicht, Gelehrte oder erfolglose Kaufleute. Wer sie kannte wie ich,
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