Das Schwert - Thriller

gebracht hat.«
    Naomi, von Jacks drängendem Tonfall verunsichert, hatte Mühe, sich zu besinnen.
    »Schatz«, wiederholte er, »es ist sehr wichtig, dass du dich erinnerst.«
    »Ich weiß wieder«, sagte sie. »Er hat gesagt, er hat etwas in das haram gebracht.«
    »Denk noch einmal ganz genau nach. Ihr habt Englisch gesprochen. Auf Arabisch, was hätte er da gesagt?«
    Sie wiederholte den Satz, diesmal auf Arabisch, und er wusste, seine Eingebung war richtig gewesen.
    Im Arabischen gibt es das Wort haram zweimal. Das erste, mit einem stark aspirierten »h« bedeutet Heiligtum, und Jack hatte angenommen, al-Masri meinte vielleicht Mekka, dass er das Schwert in Mekka hinterlegt hatte, einem der zwei heiligen Orte des Islam. Das andere haram aber, mit einem normalen »h« gesprochen, hat eine andere Bedeutung. Es heißt »Pyramide«.
    »Hat er gesagt, in welche der Pyramiden?«, fragte er.
    »In welche? Ja, Paps. In die große. Die haram kabir .«
    Die Große Pyramide.
    »Du hast mir sehr geholfen, Kleines. Ich rufe wieder an, und wenn alles gut geht, sehen wir uns bald. Denk immerdaran, dass ich dich sehr lieb habe. Ganz egal, was passiert.«
    Er drückte die Aus-Taste.
    »Samiha, wenn Selim fragt, ich bin zur Großen Pyramide gegangen.«
    Sie nickte.
    »Ist die da drin? Die Bombe?«
    »Ja. Bleib hier. Bete zu allen Göttern, dass ich noch rechtzeitig komme.«
    »Wirst du sie entschärfen können?«
    »Ich will’s versuchen. Falls Selim einen von den Bombenexperten auftreiben kann, soll er ihn hinter mir herschicken.«
    Er zögerte, dann schloss er sie in die Arme und küsste sie auf die Stirn.
    »Wenn du das getan hast, warte hier auf mich.«
    Er setzte sich in Trab. Das Leben aller im weiten Umkreis hing davon ab, wie schnell er die Bombe finden konnte und ob es ihm gelang, sie zu entschärfen.
    Samiha schaute ihm nach und war sich sicher, sie würde ihn nie wiedersehen. Nun musste sie doch allein sterben. Sie machte sich auf den Weg ins Kontrollzentrum, aller Hoffnung beraubt.

48
In der Kammer des Königs
    8.45 Uhr
    Früher einmal war er leichtfüßig gewesen wie eine Gazelle. Lange Märsche in der SAS hatten die Muskeln in seinen Beinen auf Leistung getrimmt, ihm Ausdauer verliehen und Schnelligkeit, wenn es darauf ankam. Heute war er längst nicht mehr so gut in Form, aber die Angst und das Bewusstsein der unerbittlich verstreichenden Zeit verliehen ihm Flügel. Das Gelände war schwierig und der Weg weit zur Nordseite der Pyramide.
    War er dort angelangt, bestand das Problem darin, sich in al-Masris Denkweise zu versetzen. In der Großen Pyramide gab es mehrere Räume und Gänge: die zwei Hauptkammern – Königs- und Königinnenkammer – und tief darunter, aus dem gewachsenen Fels herausgehauen und unvollendet geblieben, die »Kammer des Chaos«. Dann gab es einen aufsteigenden Gang, einen absteigenden Gang, einen Schacht dazwischen – Greave’s Schacht – und die lange Passage, bekannt als die Große Galerie.
    Im Laufen versuchte Jack, sich das Innere der Pyramide in Erinnerung zu rufen, so, wie er es bei seinem letzten Besuch gesehen hatte. Die Zeit reichte nicht, um mehr als eine Kammer zu überprüfen, und wenn das die falsche war, würde er niemals wieder die Sonne sehen.
    Der wahrscheinlichste Ort war die Königskammer, ein rechteckiger kahler Raum auf halber Höhe der Pyramide. Der Gang, der zu ihr hinaufführte, war lang und steil, und seine Beine protestierten jetzt schon, doch er wusste, erdurfte sich keine Pause gönnen. Über ihm ragte die kolossale Masse der Pyramide auf und verdeckte den Himmel.
    Um die Nordostecke biegend, hastete er zu der Stelle an der Nordflanke, wo im 9. Jahrhundert auf Kalif Mamuns Geheiß Arbeiter den gigantischen Steinblöcken zu Leibe gerückt waren, um einen Zugang zur Pyramide zu erzwingen und an die vermeintlich in ihrem Innern verborgenen Schätze zu gelangen. Der enge Stollen – Grabräuberstollen genannt –, den sie geschaffen hatten, war heute der offizielle Eingang.
    Jack knipste die Taschenlampe an und trat in den niedrigen Gang und zwängte sich hindurch bis zur Einmündung in den aufsteigenden Gang, der durch den Kern des gewaltigen Bauwerks schräg nach oben führte. Siedendheiß fiel ihm ein, dass er Samiha nicht gesagt hatte, wohin genau er wollte. Wenn das BEK auftauchte, mussten die Leute eben raten, welchen Weg er genommen hatte. Er wünschte sich, er hätte bei dem in seiner aktiven Zeit absolvierten Schnellkurs über Bombenentschärfung besser