Das Schwert - Thriller
die Stadt immer wieder in Angst und Schrecken versetzten. Sie waren schlecht fürs Geschäft.
»Das war woanders, nicht hier«, beruhigte er seinen Kunden, aber sie wussten beide, dass es überall gewesen sein konnte: eine kleine Bombe in der Nähe, eine große Bombe weiter weg und eine beliebige Anzahl von Kombinationen dazwischen. Vielleicht hatte ein Selbstmordattentäter sich das Paradies verdient, oder man hatte per Fernzündung ein Auto in die Luft gesprengt.
Gleichmut hin oder her, Goodrich hatte Angst. Seine größte Sorge war, der Anschlag könnte der amerikanischen oder britischen Botschaft gegolten haben, beide ganz in der Nähe, gleich gegenüber am anderen Flussufer. Seine Frau arbeitete als Sekretärin in der britischen Botschaft. Seit sie in Kairo lebten, quälte beide Goodrichs eine gemeinsame, stets präsente Befürchtung – dass der eine oder der andere einem Terroranschlag zum Opfer fallen könnte, entweder sie in der Botschaft oder er in der Universität.
»Bleiben Sie hier, Professor«, meinte Ali. »Die Bombe kann überall hochgegangen sein. Es ist zu früh für Nachrichten, aber ich lasse das Radio an, für die ersten Eilmeldungen.«
Er redete Arabisch mit diesem Kunden, die in Ägypten gebräuchliche Variante, die Goodrich so umfassend beherrschte, wie einem Ausländer irgend möglich. Im Lauf der Jahre hatte er beim Haareschneiden und Rasieren in Alis Barbierstube mehr Kairo-Arabisch gelernt, als in dem seinerzeit vom Fachbereich angebotenen, kostenpflichtigen Sprachkurs.
Ali hatte sich in Positur gestellt, den Rasierpinsel in der erhobenen Hand, bereit, ans Werk zu gehen. Er war die Primadonna unter den Barbieren, falls es so etwas gibt. Auf einer Bühne wäre er stolziert. Der Rasierschaum umschmiegte den Pinsel wie ein üppiger Klecks glatt und glänzend geschlagener Sahne. Goodrich schüttelte den Kopf.
»Ich versuche anzurufen. Wenn sie drangeht, ist alles in Ordnung.«
In der letzten Woche hatte es mehrere Anschläge gegeben, die meisten gegen ausländische Ziele gerichtet.
Er nahm sein Handy heraus und wählte. Nichts. Er schaute auf den Signalbalken.
»Ali, was soll das? Ich habe ein Netz gegenüber auf dem Universitätsgelände. Ich habe ein Netz nebenan, im Café Faruk ...«
Ali zuckte die Schultern.
»Das ist doch jedes Mal so«, sagte er. »Sie müssen Geduld haben.«
Er beugte sich vor und schaltete das Radio aus.
»Versuchen Sie es jetzt.«
Diesmal klingelte es, und Emilia meldete sich.
»Liebe Güte, Jack. Hier ist gar nichts passiert. Die Explosion war am anderen Ufer, beim Englisch-Amerikanischen Krankenhaus. Wir warten noch auf einen Bericht über die Opfer.«
»Arbeitet Dr. Fathi nicht dort?«
»Ja, und seine Frau ebenfalls, als Krankenschwester. Jack, das geht nicht so weiter mit deinen Panikanrufen. Jedes Mal, wenn in Kairo eine Bombe hochgeht, klingeln hier sämtliche Telefone wie wild. Du solltest mittlerweile wissen, dass dies hier einer der sichersten Orte im ganzen Mittleren Osten ist. Mogadischu und der Libanon und Bagdad sind uns eine Lehre gewesen.«
»Ich mache mir eben Sorgen, weiter nichts. Und geh mir weg damit, wie sicher die Botschaft ist, oder wie viel eure Leute in Beirut gelernt haben. Ein Selbstmordattentäter kommt überallhin, wo er hin will, wenn er es will.«
»Irgendwann musst du mal probieren, an unseren Sicherheitsposten vorbeizukommen, dann wirst du schon sehen. Übrigens, solltest du nicht arbeiten?«
»Ich bin bei Ali und lasse mich rasieren.«
Emilia kannte Ali nicht. Die kleine Barbierstube war ausschließlich männliches Territorium.
»Dann sag ihm, er soll etwas weniger großzügig mit seinem Rasierwasser umgehen.«
»Warum?«
»Wenn du Glück hast, erfährst du’s heute Abend. Jetzt möchte mein Chef mir etwas diktieren.«
Sie legte auf. Jack drückte die »Beenden«-Taste an seinem Handy und steckte es zurück in die Tasche.
Ali glättete den gestreiften Frisierumhang, den er Jack umgelegt hatte, und schlug noch einmal frischen Schaum in seiner alten, gesprungenen Tasse. Niemand verstand sich aufs Einschäumen wie Ali. Goodrich hatte ihm einmal empfohlen, sich einen Dachshaarpinsel zuzulegen, aber der Barbier hatte freundlich erklärt, Dachse wären nach religiösen Gesetzen unrein, was bedeutete, man durfte sie weder verzehren noch berühren.
Auf seine Weise war Ali gläubig. Er betete fünfmal am Tag, fastete während des Ramadan, ging am Freitagmittagin die Moschee des Viertels und lauschte dösend der
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