Das Siebte Kind - Das Geschenk der Telminamas (German Edition)
um Kopf und Kragen. - Ruh dich aus. Am Nachmittag komm ich wieder. Du wirst sehen, wenn du wieder gesund bist, bist du ganz der Alte.“ Seine Stimme klang sicher und überzeugt, doch Faradis glaubte selbst nicht an seine Worte. Er stand eilig auf und verließ das Zelt, ohne den Heiler noch um einen Rat zu fragen. Sicherlich hatte der Wichtigeres zu tun, als sich um seinen verstimmten Magen zu kümmern.
Der Morgen war nun endgültig angebrochen und die Sonne schickte ihre ersten zarten Strahlen über die weite, graublaue Wasserfläche im Osten. Ganz zaghaft begann das Glitzern der Wellen dort, wo das neugeborene Licht das Meer zuerst berührte. Beinahe gleichzeitig mit dem Sonnenaufgang kam eine leichte Brise auf, die endlich den grausamen Brandgeruch verscheuchte. Durch die Zeltreihen und um Faradis‘ Gesicht wehte der Meereswind und brachte ihm und den anderen Nuloniern wohltuende frische Luft, die nach Salz und Tang roch. Faradis atmete einige Male tief durch und stellte erleichtert fest, dass seine anhaltende Übelkeit jetzt etwas nachließ. Er wanderte zwischen dornigem Gestrüpp den kurzen Weg von den Zelten bis zum Strand hinunter, an dem sie gestern Abend erst gelandet waren, und setzte sich dort angekommen in den morgenkühlen Sand. Während er durch die vier ankernden Schiffe hindurch über die funkelnde Wasserfläche bis zum Horizont blickte, hörte er immer wieder Selas Worte in seinen Ohren widerhallen: Es muss aufhören! Es muss aufhören!
Ein Schwarm Möwen landete nahe neben ihm in der Gischt, um nach Futter zu suchen, und bald schon trippelten die weißen Vögel munter am Strand zwischen dem angespülten Meerestang hin und her. Faradis ließ gedankenversunken wieder und wieder den feinen Sand durch seine Finger rieseln. Plötzlich hielt er einen Stein in der Hand und warf ihn nach den zutraulichen Tieren, die wild kreischend aufflogen und sich erst nach einiger Zeit in weiter Entfernung wieder am Strand nieder ließen.
Große Bitterkeit lag über Faradis. Drückende Gedanken umhüllten ihn wie dicke schwarze Gewitterwolken.
Wieso hatte sein Bruder nur plötzlich so viel Mitleid mit diesen Wilden, die doch selbst die Schuld an ihrem Schicksal trugen? Sela hatte zwar nie gerne gekämpft, aber dennoch stets seine Pflicht erfüllt. Faradis dachte zurück an die vergangenen Monate, in denen Sela in seinem Innern irgendwie ganz anders geworden war. Irgendwie weicher. Ja, sein Bruder hatte sich in dieser Zeit sehr verändert und jetzt fiel diese Veränderung zum ersten Mal auch nach außen hin gefährlich auf. Sela war einfach kein Soldat mehr. Er konnte seinem König nicht mehr dienen. Doch wie um alles in der Welt sollte er dann weiter leben? Es gab keine Zukunft für Deserteure. Faradis spürte, wie Wut und Verachtung zu seinen Ängsten und Sorgen hinzu kamen. Wieso konnte sein Bruder seine Gefühle nicht besser unter Kontrolle halten? Wieso ließ er sich so hängen? Wenn er nur strenger mit sich selbst wäre und nicht so verdammt dünnhäutig. Faradis war davon überzeugt, dass ein eiserner Wille das einfachste Mittel war, um das Problem mit seinem Magen zu lösen und genauso seinem Bruder dabei helfen würde, gesund und kampfbereit zu bleiben. Er nahm sich vor, mit Sela über seine mangelnde Disziplin zu sprechen, wenn sein Zustand erst wieder besser war.
Nach wenigen Tagen schon verschwand Selas Fieber genauso plötzlich wie es gekommen war, und er konnte nun wieder nach draußen gehen, um das Kommen und Gehen der Schiffe zu beobachten. Nahezu ein Dutzend mächtiger Drei- und sogar Viermaster lag nun in der Bucht unterhalb des verwüsteten Städtchens, in dessen verzweigten Gassen die Isaldrier so heftigen Widerstand geleistet hatten. Die vielen Toten waren längst verbrannt worden und ihre Asche in alle Winde verstreut. Isaldrische Männer waren nur noch wenige übrig geblieben. Wo man hinsah, zeigte sich immer dasselbe Bild. Heimatlose, trauernde Witwen mit ihren Kindern, umringt von alten Greisen, bevölkerten die Straßen und Plätze. In ihren Augen nichts als Leere, nur hier und da blitzte versteckt grenzenloser Hass und Wut auf.
Die nulonischen Soldaten hatten nach dem blutigen Kampf ganz leicht die Kontrolle über die Stadt gewonnen. Statt den notdürftigen Zelten bewohnten sie nun die eng aneinander gebauten, einfachen Steinhäuser der vertriebenen Einheimischen. Faradis und viele seiner Kameraden waren damit beschäftigt aus den nahe gelegenen lichten Kiefernwäldern, die sich zu
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