Das Siebte Kind - Das Geschenk der Telminamas (German Edition)
Soldat auf, dem er gerade so entkommen war, und er musste sich mit aller Macht zwingen, nicht wieder in Panik zu verfallen. Alle paar Minuten blickte er sich um und spähte über die nebligen Felder, um sicher zu gehen, dass ihm auch wirklich niemand folgte. Hoffentlich würde er später nicht auch einmal so furchteinflößend aussehen, dachte Sid, und fuhr sich durch seine schwarzen Haare - jedenfalls durch die schwarzen Haare, die noch aus dem großen Verband herausstanden, den Erina ihm verpasst hatte. Missmutig ließ er die Hand sinken. Der Vater und die beiden älteren Brüder hatten braune Bärte und braune Haare, und für einen flüchtigen Moment fragte sich Sid, wieso gerade er so ein dunkler Typ sein musste. Doch wenigstens hatte er die Augen der Mutter. Und die waren hell - hellblau.
Als Sid kurz nach Mittag endlich zu Hause ankam, saß seine Familie gerade beim Essen. Noch bevor er die Küche betrat, wusste er schon, was es gab: es roch intensiv nach Rübensuppe. Sid hängte seinen Wollmantel an einen freien Haken im Hausgang und musste dabei feststellen, dass das durchnässte Kleidungsstück am Rücken einen Riss bekommen hatte. Er musterte sein ausgebleichtes Leinenhemd und die braune Hose, aber beide Kleidungsstücke schienen heil geblieben zu sein. Hungrig und ziemlich verfroren ging er in die Küche und setzte sich zu seiner Familie an den Tisch.
„Sid“, rief die Mutter erschrocken und sprang auf. Ihr Haarband löste sich und die langen Haare fielen ihr in das Gesicht. „Was ist mit dir passiert? Was ist das da an deinem Kopf?“
„Nichts Schlimmes, Mutter. Nur ein kleiner Riss“, versuchte Sid sie zu beruhigen.
„Wie? Nur ein kleiner Riss?“, fragte die Mutter aufgebracht. Ihre himmelblauen Augen funkelten.
„Ehrlich. Nur ein kleiner Riss“, erwiderte Sid. „Erina wollte mir unbedingt diesen Verband verpassen. Aber es ist nichts.“
„Wenn das nichts ist, warum sickert dann das Blut schon durch?“, fragte die Mutter streng.
„Mira, beruhige dich“, sagte der Vater mit seiner tiefen Stimme und wischte sich etwas Suppe aus dem Bart. „Sid ist bestimmt sehr hungrig. Lass ihn erst einmal etwas essen. Dann kann er uns alles erzählen.“
„Aber Matto … - Nun gut“, gab Sids Mutter nach kurzem Zögern nach und band sich die Haare wieder zusammen. „Iss was, Sid, aber wenn du fertig bist möchte ich hören, was du wieder angestellt hast.“
Die Mutter reichte Sid eine mit Rübenstücken und Brühe gefüllte Holzschale, und dann breitete sich angespanntes Schweigen aus. Alle waren neugierig darauf, was Sid ihnen berichten würde.
Als die Eltern und Geschwister nach dem Essen erfuhren, in welch gefährliche Situation Sid geraten war, reagierten sie alle sehr entsetzt. Die Mutter verbot Sid, jemals wieder ins Dorf zu gehen, um Dinge einzutauschen. Das konnte Sid verstehen, aber es war ihm ein Rätsel, warum die Mutter so gereizt erschien, als er von dem Siebten Kind erzählte und von der Weissagung, dass dieser Junge den immer noch anhaltenden Nebel vertreiben könnte. Sie sehnte sich natürlich auch nach der Sonne, aber sie war der Meinung, dass sich alles selbst wieder in Ordnung bringen müsse, kein Zauber würde dem Menschen je Macht über das Wetter verleihen. Weder dem Siebten Kind noch König Lergos. Und diese Ansicht vertrat sie so vehement, dass sich Sid über ihre ungewohnt raue Art wundern musste. Und das blieb auch so. Mira war in den folgenden Wochen ziemlich niedergeschlagen, und Sid begriff nicht warum. Seitdem er von seinem Zusammentreffen mit Lergos‘ Männern erzählt hatte, war sie wie verändert.
Der Nebel und die Kälte hielten an, obwohl der Mittsommer jetzt schon vor der Tür stand. Die erste Aussaat war nicht gekeimt, die zweite hatte winzige Sprösslinge hervorgebracht. Menschen und Tiere wurden nervös, denn eine Hungersnot war wohl nicht mehr zu umgehen.
Sid war nun viel im Wald unterwegs. Er suchte über ein riesiges Gebiet alle essbaren Pflanzen und Wurzeln zusammen, und dabei fielen ihm hin und wieder auch einige Beeren in die Hände.
Diesen Nachmittag hatte er besonders viel Glück gehabt und sein Korb war tatsächlich halbvoll mit zuckersüßen Walderdbeeren. Voller Freude suchte Sid seine Mutter, um ihr seine Ernte zu zeigen, und er fand sie hinter dem Haus im Obstgarten. Sie kniete unter einem Apfelbaum und weinte.
„Mutter“, sagte Sid ergriffen und setzte sich neben sie. „Was ist mit dir?“
Mira erschrak. Sie hatte Sid
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