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Das siebte Kreuz

Das siebte Kreuz

Titel: Das siebte Kreuz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Seghers
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Kopf. Die Lichter waren schon alle ausgegangen. Der Nebel war zart geworden und durchsichtig, das reine Goldgespinst. Über die Landstraße sausten drei Motorradlampen, raketenartig. Das Geheul der Sirenen schien anzuschwellen, obwohl es nur ständig ab- und zunahm, ein wildes Einbohren in alle Gehirne, stundenweit. Georg drückte sein Gesicht wieder in die Erde, weil sie über ihm auf dem Damm zurückliefen. Er schielte bloß aus den Augenwinkeln. Die Scheinwerfer hatten nichts mehr zum Greifen, sie wurden ganz matt im Tagesgrauen. Wenn nur jetzt nicht der Nebel gleich stieg. Auf einmal kletterten drei den äußeren Abhang herunter. Sie waren keine zehn Meter weit. Georg erkannte wieder Mannsfelds Stimme. Er erkannte Ibst, an seinen Flüchen, nicht an der Stimme, die war vor Wut ganz dünn, eine Weiberstimme. Die dritte Stimme, erschreckend dicht – man konnte ihm, Georg, auf den Kopf treten –, war Meißners Stimme, die immer nachts in die Baracke kam, die einzelnen aufrief, ihn, Georg, zuletzt vor zwei Nächten. Auch jetzt schlug Meißner nach jedem Wort die Luft mit etwas Scharfem. Georg spürte das feine Windchen. Hier unten rum – gradaus – wird’s bald – dalli.
     
    Ein zweiter Anfall von Angst, die Faust, die einem das Herz zusammendrückt. Jetzt nur kein Mensch sein, jetzt Wurzel schlagen, ein Weidenstamm unter Weidenstämmen, jetzt Rinde bekommen und Zweige statt Arme. Meißner stieg in das Gelände hinunter und fing wie verrückt zu brüllen an. Plötzlich brach er ab. Jetzt sieht er mich, dachte Georg. Er war auf einmal vollständig ruhig, keine Spur von Angst mehr, das ist das Ende, lebt alle wohl.
     
    Meißner stieg tiefer hinunter zu den anderen. Sie wateten jetzt in dem Gelände herum zwischen Damm und Straße. Georg war für den Augenblick dadurch gerettet, daß er viel näher war als sie glaubten. Wäre er einfach auf und davon, sie hätten ihn jetzt im Gelände geschnappt.
     
    Sonderbar genug, daß er sich also doch, wild und besinnungslos, eisern an seinen eigenen Plan gehalten hatte! Eigene Pläne, die man sich aufstellt in den schlaflosen Nächten, was sie für eine Macht behalten über die Stunde, wenn alles Planen zunichte wird; daß einem dann der Gedanke kommt, ein andrer hätte für einen geplant. Aber auch dieser andre war ich.
     
    Die Sirene stockte zum zweitenmal. Georg kroch seitlich, rutschte mit einem Fuß aus. Eine Sumpfschwalbe erschrak so heftig, daß Georg vor Schreck das Gestrüpp losließ. Die Sumpfschwalbe zuckte in die Binsen hinein, das gab ein hartes Rascheln. Georg horchte, gewiß horchten jetzt alle. Warum muß man gerade ein Mensch sein, und wenn schon einer, warum gerade ich, Georg. Alle Binsen hatten sich wieder aufgestellt, niemand kam, schließlich war ja auch nichts geschehen, als daß ein Vogel im Sumpf herumgezuckt hatte. Georg kam trotzdem nicht weiter, wund die Knie, ausgeleiert die Arme. Plötzlich erblickte er im Gestrüpp Wallaus kleines, bleiches, spitznasiges Gesicht …
     
    Plötzlich war das Gestrüpp übersät mit Wallaugesichtern.
     
    Das ging vorbei. Er wurde fast ruhig. Er dachte kalt: Wallau und Füllgrabe und ich kommen durch. Wir drei sind die besten. Beutler haben sie. Belloni kommt vielleicht auch durch. Aldinger ist zu alt. Pelzer ist zu weich. Als er sich jetzt auf den Rücken drehte, war es schon Tag. Der Nebel war gestiegen. Goldnes kühles Herbstlicht lag über dem Land, das man hätte friedlich nennen können. Georg erkannte jetzt etwa zwanzig Meter weg die zwei großen flachen, an den Rändern weißen Steine. Vor dem Krieg war der Damm einmal der Fahrweg für ein entlegenes Gehöft gewesen, das längst abgerissen war oder abgebrannt. Damals hatte man vielleicht das Gelände angestochen das inzwischen längst versoffen war, samt den Abkürzungswegen zwischen Damm und Landstraße. Damals hatte man wohl auch die Steine vom Rhein heraufgeschleppt. Zwischen den Steinen gab es noch feste Krumen, längst hatten sich die Binsen darübergestellt. Eine Art Hohlweg war entstanden, den man auf dem Bauch durchkriechen konnte.
     
    Die paar Meter bis zu dem ersten grauen, weißgeränderten Stein waren das böseste Stück, fast ungedeckt. Georg biß sich in dem Gestrüpp fest, ließ erst mit einer Hand los, dann mit der andern. Wie die Zweige zurückschnellten, gab es ein Schürfen, ein Vogel zuckte auf, vielleicht schon wieder derselbe.
     
    Wie er dann in den Binsen hockte auf dem zweiten Stein, war’s ihm zumut, als sei er plötzlich

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