Das Sonnenblumenfeld
Zwischenzeit war der Hubschrauber sanft herabgestiegen, und die Wipfel der Olivenbäume und die Büsche duckten sich unter dem Wind.
Dummenico atmete kurz und schnell, der Schweiß lief ihm in Strömen über die Stirn. Der Professor drückte seine Hand fester.
»Is' gleich vorbei, Mimmù, gleich vorbei!«
»Von wegen vorbei, verdammt, Prufessò«, sagte Dummenico.
Der Hubschrauber sank immer tiefer herab. Er war nur noch zehn Meter von ihnen entfernt und wirkte jetzt noch furchterregender. Der Hut des Professors flog weg, seine Haare flatterten im Wind. Selbst Dummenicos Schnurrbart wehte im Wind.
Inzwischen berührte der Hubschrauber beinahe die Wasseroberfläche. Einen Augenblick lang sah es so aus, als wollte er untertauchen. Plötzlich öffnete er seinen Bauch wie ein Maul. Und durch das offene Maul füllte er sich den Bauch mit Teichwasser. Als der Bauch voll war, schloss sich das Maul, und der Hubschrauber stieg in die Luft. Dummenico richtete sich auf, um ihm nachzusehen. So schnell, wie er gekommen war, verschwand er wieder zwischen den Baumwipfeln.
»Dann … war der gar nicht wegen uns hier?«, fragte Dummenico.
»Nein, der wird wohl gekommen sein, weil es irgendwo am Muntagnone brennt.«
»Wir haben's geschafft«, sagte Dummenico mit einem schmalen Lächeln.
»Vielleicht, Mimmù, vielleicht. Und das Herz?«
»Schon vorbei«, sagte Dummenico und breitete die Arme aus.
»Verdammt, Mimmù. Du hast mir so 'nen Schrecken eingejagt, ich hätte auch fast 'nen Herzkasper bekommen.«
»Wir haben's geschafft, Prufessò!«, wiederholte Dummenico. Er lachte, er hatte Tränen in den Augen, wie angestochen tanzte er herum.
»Mein Gott, Mimmù, was ist los?«, fragte ihn der Professor, der nun auch lachte.
»Die Pizzica will ich tanzen, Prufessò. Komm, wir tanzen, das brauchen wir jetzt.«
Und er fasste den Freund unter dem Arm und fing an, mit ihm um den Lieferwagen zu wirbeln.
Dummenico und der Professor
Neun Monate zuvor
Obwohl es Winter war, wollte Dummenico aus dem Dorf runter ans Meer fahren, um seine Wut abzureagieren. Die ganze Fahrt über hatte der Professor geredet, aber Dummenico reagierte nicht, ließ nicht mal einen Seufzer hören.
Als sie ankamen, war Dummenico aus dem Lieferwagen gestiegen, den Zettel immer noch in der Hand. Er war auf den Felsen geklettert, der am weitesten ins Meer ragte, während der Wind von den fernen Bergen wehte und die Wellen wütend gegen die Küste tobten.
»Sei vorsichtig, sonst holt dich das Meer«, hatte ihm der Professor vom Lieferwagen aus nachgerufen.
»Und wenn schon. Besser wär's«, hatte Dummenico geantwortet.
Und während ihm die Gischt ins Gesicht spritzte, hatte er geweint. Vor Rosetta und den Kindern ging das nicht. Aber hier, zwischen Wellen und Wind, sah ihn keiner. Hier konnte er wenigstens alles rauslassen.
»Mimmù, das wird schon wieder«, versuchte der Professor, der auch aus dem Lieferwagen gestiegen war, ihn zu trösten.
»Das wird 'n Scheiß, Prufessò«, antwortete Dummenico.
Er musste seinen Kredit abbezahlen, hatte drei Kinder, die zur Schule gingen, und Rosetta arbeitete tageweise, wenn es sich einrichten ließ.
»Das wird 'n Scheiß«, wiederholte er.
Er zerknüllte den Zettel, den er immer noch in der Hand hielt und der ihn aus der Fabrik verjagte, stopfte ihn in den Mund und kaute.
»Mimmù, hör zu …«, sagte der Professor.
»Zuhören, Prufessò? Ich hab dir schon zu lange zugehört. Reden kannst du, das ja, Prufessò. Was hast du nicht alles gesagt. Dass sie das nicht machen können. Dass sie sich das nicht erlauben können. Sonst ist Revolution. Und wo ist sie, Prufessò, wo ist die Revolution? Wo denn? Ich sehe keine Revolution, nur dich und mich, Prufessò. Und das schäumende Meer, in das ich am liebsten springen würde.«
Und hätte der Professor ihn nicht festgehalten, hätte sich Dummenico wirklich in die Wellen geworfen, die an die Felsen donnerten. Für immer wäre er mit den Fischen auf dem Meeresgrund verschwunden.
In derselben Nacht
Das Boot kletterte auf einen Wellenkamm, der Motor stemmte sich gegen die Schläge, jeden Moment schien er ausgehen zu wollen. Und überall die Finsternis der Nacht, die sie verschlingen wollte, der wütende Wind, der unaufhörlich tobte.
Noch einmal kletterte das Boot eine Welle empor, die wie eine unendliche Mauer war.
Der Schwarze und die anderen zehn, die sich das Meer noch nicht geholt hatte, beteten zum Himmel um Rettung. Die Gebete verschlang der Wind, und
Weitere Kostenlose Bücher