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Das Sonnenblumenfeld

Das Sonnenblumenfeld

Titel: Das Sonnenblumenfeld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrej Longo
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wand sie sich über Anhöhen und Abhänge, bis weit hinunter zum fernen Meer.
    Dummenico setzte sich in den Schatten einer Buche und aß eine Olive nach der anderen, ab und zu spülte er mit einem Schluck Primitivo nach. Dann aß er das Brot und den Käse.
    Als er fertig war, drehte er sich eine Zigarette und rauchte sie gedankenverloren, während der Sperber weiter am Himmel tanzte.
     
    Dummenico begann den Abstieg erst, als die Sonne fast untergegangen war. Die Hitze nahm ihm immer noch den Atem. Auf der Straße fuhren langsam die Lastwagen, beladen mit Tomaten.
    Plötzlich vernahm Dummenico einen Schrei, der aus dem Himmel kam. Er hob den Kopf und sah, wie der
Sperber die Flügel schloss, sich blitzschnell in das Feld stürzte und dabei die Bäume des Muntagnone streifte.
    In diesem Augenblick, als er den Sturz des Sperbers sah, entschied Dummenico, was zu tun war.

Der Professor
    Der Professor sagte, dass sie die Geschichte mit der Krise nur aufbauschten, um Arbeiter zu entlassen und ihre Fabriken woanders aufzumachen. Aber er sagte auch, dass sie das nicht durften. Denn wenn sie anfingen, Leute zu entlassen, würden die Arbeiter auf die Straße gehen und protestieren. Mit den Arbeitern würden die Studenten und die Professoren auf die Barrikaden gehen, danach die Beamten und die Zeitarbeiter, und spätestens dann wäre die Revolution da.
    Der Professor konnte gut reden, daran bestand kein Zweifel. Er konnte gut reden und glaubte an das, was er sagte.
    Doch als im Norden die ersten Abfindungen gezahlt wurden und man einen Solidaritätsstreik organisierte, gingen nur dreihundertfünfzig von zwölftausend auf die Straße. Und genau diese dreihundertfünfzig bekamen eine Woche später die Kündigung.
    Es war ein harter Schlag für den Professor und seine Philosophie. Als die Krise begann, ging es dem Professor ein wenig besser als seinem Freund. Erstens lebte er allein und musste nur sich selbst durchbringen. Zweitens hatte er keinen Kredit abzubezahlen, und die Miete war niedrig.
    So war es anfangs, doch dann wurde alles anders.
    Denn der Professor hatte kein Feuer in sich wie sein Freund. Er war auch nicht der Typ, der sich den Rücken krumm machte, um Tomaten zu pflücken oder zu kellnern. Er hatte sich auf einige Anzeigen in der Zeitung gemeldet, das ja. Und er hatte drei oder vier Bewerbungen an Firmen in der Gegend verschickt. Aber danach hatte er aufgegeben. Der Zweifel hatte ihn gepackt, nachdem eine Fabrik nach der anderen schloss, ohne dass die Revolution losbrach. Und die Einsamkeit fraß ihn langsam auf. Umso mehr, als Dummenico, sein bester Freund, immer mit irgendeiner Aushilfsarbeit beschäftigt war, um das Geld zum Überleben zusammenzukratzen, und sie kaum noch Zeit hatten, sich zu sehen.
    Und so verbrachte er seine Tage auf dem Balkon, im Schoß ein Buch, oder er spielte vor dem Fernseher mit der Fernbedienung herum.
    Allein, wie er war, verlor er den Lebensmut.
    Um die Traurigkeit zu überwinden, reiste er in den Norden, zu seinem einzigen Sohn, aber der hatte gerade eine neue Freundin und schien nicht besonders erfreut über seinen Besuch. Nach dem ersten Abend ging er in eine Pension.
    Als die Einsamkeit immer schwerer auf ihm lastete, erlag der Professor der Versuchung, auf den Friedhof zu gehen und mit Dorina zu sprechen, seiner Frau, die vor sechs Jahren gestorben war. Aber er wusste,
dass er sein Leben nicht im Gespräch mit den Toten verbringen konnte.
    Als sich gerade dumme Gedanken einzunisten begannen, rief ihn Anfang August Dummenico an und lud ihn zum Abendessen ein.
    Der Professor konnte es kaum glauben, mit einer Menschenseele ein paar Worte wechseln zu können, und vor lauter Glück kaufte er eine Kiste guten Primitivo für den Freund.

Das Abendessen Anfang August
    Dummenico hatte im Hof gedeckt, unter den Sternen. Mit dem verbliebenen Geld hatte er Rosetta und die Kleinen auf einen Campingplatz am Meer geschickt. Die Kleinen sollten etwas Sonne abbekommen, seine Frau sollte glauben, es sei alles in Ordnung. Und er wollte mit dem Freund allein sein. Er wollte mit ihm über das reden, was ihm auf dem Muntagnone eingefallen war.
    Pünktlich um acht kam der Professor mit dem Wein. Dummenico zog gerade eine Auflaufform mit Kartoffeln, Reis und Miesmuscheln aus dem Ofen. So groß, dass sechs davon satt geworden wären, und so wohlriechend, dass sogar die Toten Appetit bekämen.
    Sie hatten sich ohne Umschweife an den Tisch gesetzt und über die unglaubliche Hitze gesprochen. Dann

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