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Das spaete Gestaendnis des Tristan Sadler

Das spaete Gestaendnis des Tristan Sadler

Titel: Das spaete Gestaendnis des Tristan Sadler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Boyne
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uns einen Treffer landet, und lachen, wenn wir stolpern oder unser Ziel verfehlen. Es wird eine Art Schaukampf für alle, Marshall und ich bearbeiten uns in dem schmalen Graben mit der Anmut streitsüchtiger Affen. Ich nehme kaum mehr wahr, was genau vor sich geht, habe aber das Gefühl, dass mein monatelang in mich hineingefressener Schmerz plötzlich aus mir hervorbricht, bis ich mich schließlich, ohne zu begreifen, dass ich den Sieg davontrage, auf Marshall wiederfinde, ihm wieder und wieder ins Gesicht schlage und ihn immer tiefer in den Matsch drücke.
    Das ist er, sein Gesicht, wie er im Klassenzimmer zurückfährt, nachdem ich ihn geküsst habe.
    Und da, wie er hinter seiner Metzgertheke hervorkommt, den Arm um meine Schultern legt und mir sagt, dass es das Beste wäre, wenn ich in Frankreich getötet würde.
    Und da, wie er mich am Bach in Aldershot umarmt, bevor er seine Sachen zusammenrafft und mit dem Ausdruck von Abscheu und Ekel davonläuft.
    Und da noch einmal, irgendwo hinter den Linien, wie er mir erklärt, dass es ein Fehler war und sich Männer in Zeiten wie diesen Trost suchen, wo sie ihn finden.
    Jeden Einzelnen von ihnen schlage ich, und Marshall steckt die Schläge ein, und die Welt scheint ganz schwarz, selbst noch in dem Moment, als ich spüre, wie mich Arme von hinten packen, von dem Kerl herunterziehen und auf die Beine stellen. »Genug, genug«, höre ich sie rufen. »Gott noch mal, Mann, hör auf! Du bringst ihn ja um!«
    »Sie sind ein verdammter Schandfleck, Sadler, das ist Ihnen doch bewusst?«, sagt Sergeant Clayton, tritt hinter seinem Tisch hervor und kommt mir unangenehm nahe. Sein Atem stinkt, und ich sehe, wie sein linkes Auge zuckt. Im Übrigen scheint er sich auch nur die linke Seite des Gesichts rasiert zu haben.
    »Ja, Sir«, sage ich. »Ich weiß.«
    »Ein verdammter Schandfleck«, wiederholt er. »Und Sie sind einer aus Aldershot. Einer, den ich ausgebildet habe. Wie viele von euch sind eigentlich noch übrig?«
    »Drei, Sir«, sage ich.
    »Ihr seid noch zwei, Sadler«, widerspricht er mir. »Bancroft zählen wir nicht. Den feigen Bastard. Zwei von Ihnen sind noch da, und dann benehmen Sie sich so? Wie sollen die neuen Rekruten den Feind bekämpfen, wenn Sie ihnen die Seele aus dem Leib prügeln?« Seine Gesicht ist puterrot angelaufen, und seine Stimme wird mit jedem Wort wütender.
    »Natürlich war es nicht klug, Sir«, sage ich.
    »Nicht klug? Nicht klug?« , brüllt er. »Wollen Sie mich auf den Arm nehmen, Sadler, denn ich sage Ihnen, wenn Sie das auch nur versuchen, lasse ich Sie …«
    »Ich will Sie nicht auf den Arm nehmen, Sir«, unterbreche ich ihn. »Ich weiß nicht, was in mich gefahren ist. Ich bin wohl etwas durchgedreht, das ist alles. Marshall hat mich zur Weißglut gebracht.«
    »Durchgedreht?«, fragt er, beugt sich vor und mustert mich. »Sagten Sie durchgedreht , Sadler?«
    »Ja, Sir.«
    »Jetzt sagen Sie mir bloß nicht, Sie versuchen hier herauszukommen, indem Sie so tun, als würden Sie durchdrehen. Damit kommen Sie bei mir nicht durch.«
    »Wo heraus, Sir?«, frage ich. »Aus Ihrem Quartier?«
    »Aus Frankreich, Sie verdammter Idiot!«
    »O nein, Sir«, sage ich. »Ganz und gar nicht. Nein, das war mehr was Vorübergehendes. Ich kann mich dafür nur entschuldigen. Ich bin über ihn gestolpert, es kam zu einem Wortwechsel, und mir ist der Kragen geplatzt. Es war ein schlimmer Fehler.«
    »Sie haben ihn für die nächsten vierundzwanzig Stunden außer Gefecht gesetzt«, erklärt er mir, und seine Wut scheint langsam nachzulassen.
    »Ich weiß, ich habe ihm wehgetan, Sir, ja.«
    »Das ist eine verfluchte Untertreibung«, antwortet Clayton, tritt ein Stück von mir weg, fährt sich mit der Hand vorne in die Hose und kratzt sich ohne jede Scham zwischen den Beinen. Dann setzt er sich, seufzt und fährt sich mit derselben Hand über das Gesicht. »Ich bin verdammt erschöpft«, murmelt er. »Wegen so was geweckt zu werden! Trotzdem«, fügt er hinzu, und sein Ton wird weicher. »Ich wusste ja nicht, was in Ihnen steckt, Sadler, wenn ich ehrlich bin. Und dieser Dummkopf brauchte dringend einen Dämpfer, das weiß ich. Ich hätte ihm selbst eine verpasst, so wie er mir auf die Nerven geht. Aber das darf ich nicht. Ich muss den Männern ein Beispiel sein. Dieser ignorante kleine Dreckskerl macht mir seit seiner Ankunft hier nur Ärger.«
    Ich stehe immer noch in Habachtstellung und bin überrascht, wie sich die Dinge entwickeln. Ich hatte nicht damit

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