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Das Spiel

Das Spiel

Titel: Das Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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war nicht das Entscheidende. Das Entscheidende war das Grinsen. Es hatte sich kein bisschen verändert, und das bedeutete, Gerald hatte sie nicht ernst genommen. Schließlich sollte sie sich sträuben; das gehörte ja gerade zum Spiel.
    »Gerald? Es ist mein Ernst.«
    Das Grinsen wurde breiter. Einige weitere dieser kleinen, harmlosen Anwaltszähne wurden sichtbar; sein IQ fiel wieder um zwanzig bis dreißig Punkte. Und er hörte immer noch nicht auf sie.
    Bist du dir sicher?
    Sie war es. Sie konnte ihn zwar nicht lesen wie ein Buch – sie schätzte, dass mehr als siebzehn Jahre Ehe dazu gehörten, das zu bewerkstelligen -, aber sie dachte, dass sie normalerweise eine ziemlich gute Vorstellung von dem hatte, was in seinem Kopf vor sich ging. Sie fand, etwas wäre ernsthaft daneben, wenn es nicht so wäre.
    Wenn das stimmt, Süße, wieso kann er dich dann nicht lesen? Wieso sieht er nicht, dass dies nicht nur eine neue Szene in derselben alten Sex-Farce ist!
    Jetzt war es an ihr, ein wenig die Stirn zu runzeln. Sie hatte schon immer Stimmen in ihrem Kopf gehört – sie vermutete, das ging allen so, obwohl die Leute normalerweise nicht darüber sprachen, ebenso wenig wie über die Funktion ihrer Eingeweide – und die meisten davon waren alte Freunde, so vertraut und angenehm wie ihre Hausschuhe. Diese indessen war neu … und sie hatte nichts Angenehmes an sich. Es war eine kräftige Stimme, jung und lebhaft. Außerdem hörte sie sich ungeduldig an. Und nun war sie schon wieder da und beantwortete ihre eigene Frage.
    Es ist nicht so, dass er dich nicht lesen kann; es ist nur so, Süße, dass er es manchmal nicht will.
    »Gerald, wirklich – mir ist nicht danach. Hol die Schlüssel her und mach mich los. Wir machen etwas anderes. Ich setz mich auf dich, wenn du willst. Oder du kannst dich einfach hinlegen, die Hände hinter dem Kopf verschränken, und ich mach es dir, du weißt schon, auf die andere Art.«
    Bist du dir sicher, dass du das willst?, fragte die neue Stimme. Bist du dir wirklich sicher, dass du überhaupt Sex mit diesem Mann willst?
    Jessie machte die Augen zu, als könnte sie die Stimme dadurch zum Schweigen bringen. Als sie sie wieder aufschlug, stand Gerald am Fußende des Betts, und die Vorderseite seiner Unterhose stand wie ein Schiffsbug ab. Sein Grinsen war noch breiter geworden und entblößte die letzten Zähne – die mit den Goldplomben. Nicht nur, dass sie dieses dumme Grinsen nicht mochte, stellte sie fest; sie verabscheute es geradezu.
    »Ich werde dich loslassen … wenn du sehr, sehr lieb bist. Kannst du sehr, sehr lieb sein, Jessie?«
    Wie witzig, merkte die neue Ohne-Scheiß-Stimme an, äußerst witzig.
    Er hakte die Daumen in den Bund seiner Unterhose wie ein alberner Revolverheld. Die Boxershorts rutschten ziemlich schnell nach unten, sobald sie einmal über seinen nicht gerade unscheinbaren Rettungsringen waren. Und da war es nun. Nicht das formidable Instrument der Liebe, das ihr erstmals als Teenager auf den Seiten von Fanny Hill begegnet war, sondern etwas Kümmerliches und Rosiges und Beschnittenes – vierzehn Zentimeter vollkommen unspektakulärer Erektion. Vor zwei oder drei Jahren hatte sie während einer ihrer unregelmäßigen Ausflüge nach Boston einen Film mit dem Titel Der Bauch des Architekten gesehen. Sie dachte: Genau. Und jetzt sehe ich den Penis des Anwalts. Sie musste sich innerlich auf die Wangen beißen, um nicht zu lachen. In diesem Augenblick zu lachen wäre politisch unklug gewesen.
    Da kam ihr ein Gedanke, und der massakrierte jeden Drang zu lachen. Es war folgender: Er wusste nicht, dass sie es ernst meinte, weil für ihn Jessie Mahout Burlingame, Frau von Gerald, Schwester von Maddy und Will, Tochter von Tom und Sally, Mutter von niemand, eigentlich gar nicht da war. Sie war mit dem leisen, stählernen Klicken der Handschellenschlösser verschwunden. Die Abenteuermagazine aus Geralds Teenagerzeit waren einem Stapel Pornoheftchen in der untersten Schublade seiner Kommode gewichen, Heftchen, in denen Frauen, die Perlen und sonst nichts trugen, auf Bärenfellen knieten, während Männer mit Sexapparaten, neben denen der von Gerald im Vergleich wie eine maßstabgetreue Miniatur wirkte, sie von hinten nahmen. Am Ende dieser Heftchen, zwischen Anzeigen für Telefonsex mit 900er Nummern, fand sich Werbung für aufblasbare Frauen, die angeblich anatomisch korrekt waren – eine bizarre Vorstellung, wenn Jessie je von einer gehört hatte. Jetzt musste sie an diese

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