Das Spiel
Wasser in diesem Brunnen war vergiftet, und als er sie gepikt hatte, hatte William einen Eimer da hinuntergelassen, der voll Schlamm und Dreck wieder hochgezogen worden war. Dafür hatte sie ihn gehasst, und sie vermutete, es war in Wirklichkeit dieser Hass, der sie dazu gebracht hatte, ihn zu schlagen. Der Dreck aus der Tiefe hatte ihr Angst gemacht. Und heute, viele Jahre später, stellte sie fest, dass das immer noch zutraf … aber er machte sie auch wütend.
Du wirst die Sonne nicht auslöschen, dachte sie ohne die geringste Ahnung, was das bedeuten sollte. Das wirst du verdammt nochmal nicht tun.
»Ich will nicht um Grundsätzlichkeiten streiten, Gerald. Hol einfach diese verdammten Schlüssel und mach mich los!«
Und dann sagte er etwas, was sie so verblüffte, dass sie es zuerst überhaupt nicht fassen konnte: »Und wenn nicht?«
Als Erstes fiel ihr sein veränderter Tonfall auf. Normalerweise sprach er mit einer forschen, bärbeißigen, gutmütigen Stimme – Ich habe hier das Sagen, und das ist ein ziemliches Glück für uns alle, richtig? - , aber dies war eine leise, schnurrende Stimme, die sie nicht kannte. Der Glanz in seinen Augen war wieder da – dieser heiße, verhaltene Glanz, der sie einmal entflammt hatte wie einen Waldbrand. Sie konnte ihn nicht besonders gut sehen – seine Augen waren hinter der Nickelbrille zu aufgedunsenen Schlitzen zusammengekniffen -, aber er war da. Wahrhaftig.
Und dann der seltsame Fall von Mr. Freudenspender. Mr. Freudenspender war keinen Millimeter geschrumpft. Er schien sogar strammer zu stehen, als sie sich jemals erinnern konnte … aber das lag wahrscheinlich nur an ihrer Einbildung.
Glaubst du, Süße? Ich nicht.
Sie verarbeitete diese Informationen allesamt, bevor sie sich wieder seinen letzten Worten zuwandte – dieser erstaunlichen Frage. Und wenn nicht? Dieses Mal drang sie hinter den Tonfall zum Sinn der Worte vor, und als sie sie zur Gänze begriff, konnte sie spüren, wie ihre Wut und Angst um eine Drehung hochgeschraubt wurden. Irgendwo in ihrem Inneren wurde der Eimer wieder in den Brunnenschacht hinuntergelassen, um eine schleimige Ladung hochzubefördern – eine Ladung Jauche voller Mikroben, die fast so giftig wie eine Mokassinschlange waren.
Die Küchentür schlug gegen den Rahmen, und der Hund bellte wieder im Wald; jetzt hörte er sich näher denn je an. Es war ein schriller, verzweifelter Laut. Wenn man so etwas zu lange hörte, bekam man zweifellos Migräne.
»Hör zu, Gerald«, hörte sie ihre kräftige neue Stimme sagen. Sie war sich bewusst, dass sich diese Stimme einen besseren Zeitpunkt hätte aussuchen können, ihr Schweigen zu brechen – schließlich befand sie sich hier am verlassenen Nordufer des Kashwakamak Lake, war mit Handschellen an die Bettpfosten gefesselt und trug nur ein dünnes Nylonhöschen -, aber dennoch musste sie sie bewundern. Sie bewunderte sie fast gegen ihren Willen. »Hörst du mir jetzt zu? Ich weiß, das kommt heutzutage nicht mehr sehr oft vor, wenn ich rede, aber dieses Mal ist es wirklich wichtig, dass du mich verstehst. Also … hörst du mir endlich zu?«
Er kniete auf dem Bett und sah sie an, als gehörte sie einer bis dato unentdeckten Insektengattung an. Seine Wangen, in denen sich ein komplexes Netz winziger scharlachroter Fädchen wand (sie bezeichnete sie als Geralds Alkoholnarben), waren vor Röte fast purpurn. Ein ähnlicher Fleck überzog die Stirn. Dessen Farbe war so dunkel, die Form so scharf umrissen, dass er wie ein Muttermal aussah. »Ja«, sagte er, und mit seiner neuen schnurrenden Stimme kam das Wort als jhhaarr heraus. »Ich höre dir zu, Jessie. Eindeutig.«
»Gut. Dann geh jetzt zur Kommode und hol die Schlüssel.
Dann schließt du die auf …« Sie schlug mit dem rechten Handgelenk gegen das Kopfteil. »… und dann schließt du die auf.« Sie klopfte ebenso mit dem linken Handgelenk. »Wenn du das auf der Stelle machst, können wir einen kleinen, normalen, schmerzlosen Sex mit beiderseitigem Orgasmus haben, bevor wir in unser normales, schmerzloses Leben in Portland zurückkehren.«
Sinnlos, dachte sie. Das hast du weggelassen. Normales, schmerzloses, sinnloses Leben in Portland. Vielleicht war das so, vielleicht war es auch nur ein wenig übertriebene Melodramatik (ans Bett gekettet zu sein löst das bei einem aus, stellte sie fest), aber es war wahrscheinlich in jedem Falle besser, dass sie es weggelassen hatte. Es deutete auch daraufhin, dass die neue Ohne-Scheiß-Stimme
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