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Das Spiel

Das Spiel

Titel: Das Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Krystyna Kuhn
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gewesen war. Es hieß, er habe sein Leben für die Gerechtigkeit riskiert. Ja, aber auch das seiner ganzen Familie. Und er hatte sie verdammt noch mal nicht gefragt, ob sie damit einverstanden waren.
    Julia brach in Tränen aus.
    Wie kurz sich die Vergangenheit im Nachhinein anfühlte und wie lange es dauerte, bis der Gletscher mit der Finsternis verschmolz.
    Julia gab sich einen Ruck. Sie ging in ihr Zimmer zurück und schloss die Balkontür und damit die Dunkelheit aus.
    Um sicherzugehen, dass auch wirklich alle hinuntergegangen waren, um den Film zu sehen, trat sie hinaus in den Vorraum. Aus den einzelnen Zimmern drang kein Geräusch – und dennoch lag eine kribbelnde Spannung über dem Apartment. Auf dem Weg in den ersten Stock spürte Julia, wie es in den alten Fluren zog. Die braunen Böden mit den zerschlissenen Teppichen kamen ihr schäbiger vor denn je, der ganze Trakt hatte etwas an sich, das aus der Zeit gefallen schien. Oder war es nicht umgekehrt? War das hier ein Stück Vergangenheit, das bis in die Gegenwart reichte?
    Sie beeilte sich, aus Chris’ Zimmer den Laptop zu holen, und kehrte so schnell es ging in ihr eigenes zurück, wo sie darauf verzichtete, das Licht anzuschalten. Stattdessen benutzte sie die Taschenlampe. Dann klappte sie den Laptop auf und schaltete ihn ein.
    Sie war nicht wie Robert.
    Ihr größtes Vergnügen war es nicht, sich das Wissen aus dreißig Bänden der Encyclopedia Britannica reinzuziehen, um nur ja den Dingen auf den Grund zu gehen. Nein, Julia war immer eine Meisterin der Verdrängung gewesen. Und so hätte sie auch jetzt am liebsten die Flucht ergriffen, als darauf zu warten, dass der beschissene Fuck-Laptop endlich hochfuhr.
    Dazu schossen tausend Gedanken durch ihren Kopf.
    Warum sie tat, was sie tat.
    Weshalb sie niemandem verriet, was sie auf dem Grunde des Sees gefunden hatte.
    Im nächsten Moment erhellte das schwache Licht des Bildschirms den Raum und sie fröstelte angesichts der stillen Leblosigkeit der stummen Technik.
    Ihre Hände zitterten und waren schweißnass. Es kostete sie einige Augenblicke, bis sie den USB-Anschluss fand, und noch länger, bis sie es schaffte, den Stick hineinzustecken.
    Und dann endlich öffnete sich das Betriebssystem.
    Es dauerte nur wenige Sekunden und sie wurde aufgefordert, das Passwort einzugeben. Es lautete: Julia Frost.

Kapitel 29
    Julias Augen klebten am Bildschirm des Laptops. Und sie brauchte nur ein paar Sekunden, bis sie begriff, was auf dem strassverzierten USB-Stick gespeichert war.
    Angela Finder war schlimmer gewesen als jeder Geheimdienst auf diesem Planeten, geschickter als jeder Detektiv, penibler als die Stasi, schlauer als der CIA.
    Der USB-Stick enthielt eine vollständige Datenbank des gesamten Colleges. Jeder Lehrer, jeder Angestellte, jeder Student war erfasst worden. Sogar Mr Walden, der Direktor, hatte sein eigenes Datenblatt.
    Das Verzeichnis war klar und übersichtlich gegliedert: Bungalow 17: Sayaka Kitube, Angela Finder, Eliza Wood.
    Apartment 213: Katie West, Debbie Wilder, Rose Gardner. Und obwohl sie damit gerechnet hatte, schien ihr Herz in der Brust zu gefrieren, als sie ihren eigenen Namen las: Julia Frost.
    Eine Weile saß Julia da und starrte auf den Bildschirm. Sie beobachtete sich selbst, wie sie nun langsam ihre Hand ausstreckte, wie sie in Zeitlupe den Cursor auf ihren Namen zog und wie der rechte Mittelfinger sich auf die Enter-Taste senkte. Es erschien ihr wie eine Ewigkeit, bis das Programm reagierte und sich ein Datenblatt öffnete. Wie gelähmt starrte sie auf die Seite.
    Ein Fotoalbum ihrer Vergangenheit, das war es, was der Bildschirm nun zeigte: das Haus von Julias Eltern. Ihre Fotos. Bilder von der ganzen Familie. Dann sie alleine. Robert. Fotos von ihrer alten Schule in Berlin. Zeitungsausschnitte von den Tauchwettkämpfen, an denen sie teilgenommen hatte. Ihre Zeugnisse.
    Alles Informationen, von denen sie sicher gewesen war, dass sie komplett vernichtet worden waren. Die Polizei hatte ihr versprochen, dass niemals jemand Zugang zu ihnen erhalten würde.
    Aber hatte Dad sie nicht immer gewarnt? Immer wieder hatte er gedroht, dass alles, was man ins Internet stellte, nie verloren gehen würde. Und sie – Julia? Sie hatte nur darüber gelacht.
    Sie spürte die Welle der Übelkeit. Ihr Magen rebellierte. Alles verschwamm vor ihren Augen. Gerade noch rechtzeitig schaffte sie es durch den Vorraum zur Toilette, wo sie vor der Kloschüssel niederkniete und sich wieder und wieder

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