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Das Spiel

Das Spiel

Titel: Das Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Krystyna Kuhn
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übergab.
    Die Seele aus dem Leib kotzen. Wer immer sich diesen Spruch ausgedacht hatte, er hatte verdammt noch mal gewusst, wie Julia sich gerade fühlte. Sie, Julia, kotzte sich die Seele aus dem Leib. All das, was sie beim Anblick der Bilder überkommen hatte – ihre Ängste, die unterdrückten Erinnerungen, die Gefühle – sie würgte sie aus dem Tiefsten ihres Inneren heraus, bis irgendwann nur noch bittere Galle kam.
    Julia lehnte sich an die gekachelte Wand, zitternd und erschöpft, und für einen ruhigen, wunderbaren, unendlich kostbaren Moment dachte sie einfach nichts.
    Doch dann kehrte die Erinnerung zurück. Ihr fiel der Laptop wieder ein, und das, was auf dem USB-Stick gespeichert war. Sie rappelte sich auf, wusch ihr Gesicht am Waschbecken, fuhr sich kurz mit der Zahnbürste über die Zähne und ging mit wackligen Knien in die Küche, wo sie sich ein Wasser aus dem Kühlschrank nahm.
    Und in diesem Moment hörte sie es. Es war ein leises, ganz sachtes Geräusch, aber Julia wusste sofort, dass es die Tür zum Flur war, die vorsichtig zugezogen wurde.
    Mit einem Satz war sie aus der Küche. Der Vorraum war leer. Sie riss die Tür auf. Der lange Flur dahinter lag im Dunkeln. Kein Mensch war zu sehen.
    Ein leises Klingeln ertönte. Der Aufzug! Julia stürmte los, doch sie kam zu spät. Gerade als sie um die Ecke bog, schloss sich die Tür. Dann leuchteten die großen Ziffern der einzelnen Stockwerke auf. E3, E2, E1, 0, U1, U2.
    Julia raste zurück in ihr Zimmer. Das einzige Geräusch im Raum war das Summen von Chris’ Laptop. Sie klickte auf die Leertaste. Der Bildschirm fuhr hoch.
    Ihre Hände flogen über die Tastatur.
    Panisch klickte sie sich durch die Verzeichnisse.
    Nichts!
    Datenträger Laufwerk G nicht vorhanden.
    Ihre Hand tastete nach dem USB-Stick an der Seite.
    Der Steckplatz war leer.
    Die Daten verschwunden.
    Ebenso wie Angela Finders Medaillon.

Kapitel 30
Robert [E wie Eibisch]
    Robert saß in dem stickigen Filmsaal, der neben dem CD und den Medienräumen im Keller des Colleges lag. Die Keller reichten tief in den Felsen hinein. Nicht nur im Kino, sondern überall hier unten gab es keine Fenster. Die Flure wurden von grellen Neonröhren beleuchtet, und immer, wenn Robert sich im Keller aufhielt, fühlte er sich, als müsste er ersticken. Um ihn herum vernahm er das Rascheln von Popcorntüten sowie ständiges Getuschel.
    Auf der Leinwand lief Herr der Ringe Teil I und Robert grübelte darüber nach, warum dieser Film solche Faszination auf so viele Menschen ausgeübt hatte. Darin kam nichts vor, was real war, oder? Das Ganze war ein Märchen, Fantasy. Ja, natürlich, Tolkien war ein Genie gewesen, hatte sogar eine eigene Sprache erfunden, die Robert eine Zeit lang gelernt hatte. Doch heute empfand er die Bilder und die Worte irritierend und unheimlich.
    Diese Wälder sind gefährlich.
    Ihr könnt nicht umkehren.
    Man sagt, dass eine große Zauberin in diesen Wäldern lebt.
    Diese Sätze kreisten unaufhörlich in seinem Kopf und verbündeten sich auf beklemmende Weise mit der Realität.
    Warum erschien ihm das Tal so unheimlich?
    Welche Rätsel und Gefahren lagen in den Wäldern um ihn herum? Warum wurde er das Gefühl nicht los, dass mit dem See etwas nicht stimmte?
    Der See.
    Er vor allem beschäftigte ihn seit dem Abend der Bootshausparty. Irgendetwas war dort unten. Etwas, das diese seltsamen Strömungen und gefährlichen Strudel verursachte.
    Vielleicht ein unterirdischer Bach, überlegte er wohl zum hundertsten Mal. Unterirdische Quellen, die den Lake Mirror mit Wasser versorgten.
    Und sofort dachte er wieder daran, dass er nirgendwo Angaben gefunden hatte, wie tief der See tatsächlich sei. Und hatte er es nicht selbst erlebt? An jenem Abend in dem aufgewühlten Wasser, da hatte es sich angefühlt, als ob unter ihm nichts als bodenlose Tiefe war.
    Und die Unglücke, die sich aneinanderzureihen schienen. Gab es auch dafür einen Grund? Oder passierte alles zufällig?
    Der Polizist, der Julia und ihn betreut hatte – es schien Robert fast, als sei es Jahre her –, hatte gesagt: Euer Vater war ein Held. Vielleicht war er tatsächlich einer gewesen, Robert wusste es nicht, doch eines hatte er verstanden: Zum Helden konnte man nur werden, wenn man Prüfungen bestand. Prüfungen, die mit Lebensgefahr verbunden waren.
    Ganz davon abgesehen tröstete es Robert keineswegs, seinen Vater als Helden zu sehen. Ein Trost wäre es, hätte man ihm die Wahrheit erzählt, all diese Details, die

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