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Das Spiel der Nachtigall

Das Spiel der Nachtigall

Titel: Das Spiel der Nachtigall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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würde.
    Nun, zwischen Regen und Traufe stehend hatte er schon immer seine besten Ideen gehabt.
    »Edler Herr«, sagte er, »damit Ihr nicht für immer ein Peregrinus bleiben müsst, sondern als Conviva heimelig werdet, gebt doch ein Carmen aus Eurer Heimat zu Ehren unserer Domina Pulchra hier zum Besten; ich will es in die Lingua Germanica übersetzen?« Walther hatte nicht viel Hoffnung, dass der andere tatsächlich ein Minnelied kannte, nicht, wenn er wirklich ein Kreuzfahrer war, und erst recht nicht, wenn es sich bei der Gruppe doch nur um Räuber handeln sollte. Doch Peregrinus überraschte ihn und lächelte geradezu erfreut.
    »Poeta sum«, erklärte er. Auf diese Behauptung, er sei ein Dichter, folgte eine schweißgetränkte Stunde für Walther. Peregrinus hatte nicht nur eines, sondern mehrere Lieder auf Lager, allerdings nicht auf Latein, sondern in der Sprache der welschen Troubadoure, die Walther nicht beherrschte, so verwandt sie dem Lateinischen auch war. Also musste Peregrinus ihm erst die Verse ins Lateinische übersetzen, und dann galt es, deutsche Worte zu finden, bei denen die Musik des ursprünglichen Lieds nicht verlorenging. Sein Gehör war alles, was Walther dabei half. Die anderen Gäste und selbst ein Teil von Peregrinus’ Begleitern hatten längst das Interesse verloren, während sich Walther und Peregrinus halbfertige Sätze in drei Sprachen vorsummten, bis Walther endlich seine deutsche Fassung zum Besten geben konnte: »Dass eine Frau nicht wissen kann/Wer es ehrlich mit ihr meint,/darin liegt, so wie mir scheint,/die Schwierigkeit für jeden Mann …« Er war sich sehr bewusst, dass diese Fassung noch stark verbesserungsfähig war, doch zu froh und aufgeregt darüber, überhaupt einen Wortklang gefunden zu haben, dessen er sich nicht gänzlich schämen musste, um die Lösung zu verschweigen. Weiter kam er allerdings nicht. Das lag nicht etwa daran, dass er sein Publikum mit diesen Zeilen langweilte. Nein, es war einzig und allein die Schuld der Bewaffneten, die in einem kein Ende nehmenden Strom in den Bunten Ochsen eindrangen, mit grimmiger Miene und gezogenen Schwertern. Ihr Anführer war ein Mann, der über seinem Kettenhemd das herzogliche Wappen von Österreich trug, fünf goldene Adler auf grünem Grund. Er schaute sich um, machte Peregrinus aus und donnerte mit einer Stimme, um deren Wucht Walther ihn unwillkürlich beneidete: »Das ist er! Bei Gott, das ist er, der Hund!«
    Überrascht, dass seine aus dem Stegreif erfundene Geschichte über Räuber in unangebrachten Gewändern sich am Ende doch noch als richtig herausstellen konnte, drehte sich Walther zu Peregrinus um – und fand sich von dessen Begleiter am Hals gepackt und gewürgt, während der Kerl unfreundliche Worte in der welschen Sprache ausstieß, die erneut keiner Übersetzung bedurften. Offenbar dachten Peregrinus und seine Männer, Walther sei Teil einer Falle, die man ihnen gestellt hatte. Mit einer abgeschnürten Kehle war er aber kaum in der Lage, das richtigzustellen. Bald tanzten ihm Sterne vor den Augen, ihm wurde seltsam leicht, und gleichzeitig ergriff ihn Zorn, denn es war einfach nicht gerecht, hier und jetzt zu sterben, wo noch kein einziges Lied von ihm überleben würde, da schleuderte ihn der Fremde einfach zur Seite, um sein Schwert ziehen und sich vor Peregrinus zu stellen. Walther machte unliebsame Bekanntschaft mit einer Tischkante, doch immerhin war er noch am Leben. Mit weit aufgerissenen Augen sah er, wie Peregrinus’ Mannen und die Neuankömmlinge aufeinander losgingen, ohne im Geringsten auf die anderen Menschen in der Schenke zu achten. Diese schrien entsetzt auf; wer nicht zu Boden gestoßen wurde, stürzte in Richtung Tür, doch die wurde von noch mehr Bewaffneten blockiert. Das Geschrei nahm zu. Walther blickte sich nach der Wirtin um und fand sie mit einer Daubenschale in der Hand, die sie gerade eben noch davor gerettet hatte, zwischen zwei Streitern zerschlagen zu werden. In ihr Gesicht schien das pure Entsetzen geschrieben.
    »Fürchtet Euch nicht, ich werde Euch beschützen«, schrie er durch das allgemeine Gebrüll, obwohl er nicht die geringste Ahnung hatte, wie er das anstellen sollte, waffenlos und ohnehin nicht in der Lage, mit einem Schwert umzugehen.
    »Du Narr«, gab sie zurück, »meine Schenke ist es, um die ich fürchte! Wer soll mir den Schaden je ersetzen?«
    Wie um ihre Worte zu unterstreichen, ging eine der Bänke zu Bruch, als zwei Bewaffnete auf sie stürzten.

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