Das Tagebuch der Patricia White (German Edition)
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Ich lag in diesem Bett, o hne Namen , ohne Erinnerung, n ur mit der Gewiss heit, dass ich tot sein müsste . Dazu kam die Überzeugung , ich würde es noch bitter bereuen, mich unter den Lebenden aufzuhalten, anstatt in einem namenlosen Holzkasten sechs Fuß unter der Erde dahinzufaulen.
Ich hörte ein hohes Surren , unterbrochen durch ein rhythmisches Ticken. Vorsichtig drehte ich den Kopf in Richtung Geräuschquelle und zwang mich, die Augen zu öffnen. Die Augäpfel fühlten sich unnatürlich wuchtig an und schmerzten mit jedem Lidschlag , als würden Eisenspäne die Hornhaut Schicht f ür Schicht abschaben . Gleißende Helligkeit fuhr wie ein Blitz durch meinen Kopf und gab mir das Gefühl, mein Gehirn würde verglühen , begleitet von einem stechenden Schmerz, der sich jedoch rasch verflüchtigte . Nach und nach wurde das Brennen in den Augen erträgl ich. Schließlich erhielt die Umgebung Konturen, zuerst vage, dann detaillierter.
Das Surren ging von einem roten Radiowecker auf dem Nachtkästchen aus. Die Ziffern der Uhr wurden von einer flackernden Hintergrundbeleuchtung erhellt und zeigten 6:34 Uhr morgens. Es handelte sich um ein altmodisches Modell. Weiße Zahlen waren auf schwarzen Bändern aufgedruckt. Alle paar Sekunden versuchte ein Motor , die Vier fortzuziehen, scheiterte jedoch mit hellem Klacken an einer unsichtbaren Hürde.
Neben dem Radio stand ein leeres Wasserglas. Mein Körp er verlangte nach Flüssigkeit, d och etwas in mir weigerte sich, nach dem Glas zu greifen. Allein der Gedanke daran verursachte ein Würgen und ich fürchtete, mich jeden Moment übergeben zu müssen. Aber ich musste trinken. Nur nicht aus diesem Glas. Auf keinen Fall aus diesem Glas.
Dem Anschein nach befand ich mich in einem M otelzimmer. Gerade groß genug, um dem Doppelbett und dem filigranen Campingtisch mit blauem Kunststoffsessel Platz zu bieten.
Am Fußende der zweiten Betthälfte lag eine ausgewaschene Jeansjacke. Dunkelbrauner Dreck klebte an den Stiefeln, dem Saum der Jeans und auf der Bettdecke. Die Hose war am rechten Oberschenkel zerrissen. Blutverkrustete Haut war erkennbar und umschloss eine mit gelb glänzendem Schleim gefüllte Wunde. Als ich registrierte, dass es sich bei diesem Schleim um Eiter handelte und die Wunde sich auf meinem Bein befand, begann der Oberschenkel zu brennen, als hätte jemand Salzsäure darauf gegossen. Die Beinmuskulatur verkrampfte sich und ich hatte Mühe, die Atmung unter Kontrolle zu halten. Vorsichtig drückte ich mich hoch und sc hob das verletzte Bein aus dem Bett.
Die Hoffnung, der Schmerz würde zumindest einen Teil meiner Erinnerung zurückbringen, erwies sich als falsch. Ich hatte nicht die geringste Ahnung, woher die Verletzung stammt e, warum ich sie nicht verarzten ließ oder zumindest die Wunde notdürftig gereinigt hatte. Jeder Versuch, eine Information aus meinem Gehirn zu quetschen, versandete in einer resignierenden Leere, als bestünde das Innere meines Schädels lediglich aus tiefem Schwarz.
Auf dem grauen Teppichboden neben dem Bett lag ein blau-weißes Päckchen mit der Aufschrift Silent Night . Bis auf einen Beipackzettel war es leer. Ich ent faltete den Zettel, kniff die Augen zusammen und ließ meinen Blick über die winzigen Buchstaben gleiten. Es handelte sich um Schlaftabletten. Die fett gedruckte Warnung, unbedingt die är z tlich verordnete Dosierung einzuhalten, und das Wort strong am rechten unteren Eck der Verpackung deutete n auf sehr starke Schlaftabletten hin .
Mein Blick fiel auf das Wasserglas. Auf den eingetrockneten, milchigen Rand, der sich bei der Hälfte des Glases abzeichnete. Wieder überkam mich Ekel. Umso mehr, als ich auf den nassen Fleck blickte, der sich auf dem Kissen und der Matratze abzeichnete. W eißer Brei zog sich über das dunkle Holz des Bettkastens. Ich beugte mich zur Seite, sog Luft durch die Nase und erhielt mit dem beißenden Geruch die Bestätigung. Erbrochenes. Mein Erbrochenes.
Die Kombination leere Tablettenpackung, Glas und Erbrochenes ließ nur eine Schlussfolgerung zu und ich sträubte mich, sie in Erwägung zu ziehen. Dennoch passte sie exakt in das Bild und zu den Gedanken, die ich während des Erwachens gehabt hatte.
Ich hatte versucht, mich umzubringen.
W ieder erhielt ich keine Antwort auf die Frage nach dem Warum. N ur dieses Gefühl, ich hätte in dieser Angelegenheit besser nicht versagt.
Was konnte in meinem Leben passiert sein, das mich zu dieser Tat getrieben hatte? Welche
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