Das Spinnennetz
alt, blieb man länger ledig. Wichtiger als Verbindungen war jetzt das Geld in dieser neuen Zeit. Was galt dieser Name? Nie hätte eine v. Schlieffen einen Bürgerlichen geheiratet. Jetzt konnte man es, jetzt durfte man es. Noch war man blond, noch waren ein paar allzufrühe Fältchen an den Schläfen nicht deutlich geworden, noch konnte man seine weißen, gesunden Zähne zeigen. Aber die Beine wurden schon merklich dicker, und in mancher Nacht fand man keinen Schlaf, Herz und Körper sehnten sich nach dem Mann. Es gab keinen so bescheidenen wie Theodor Lohse. Keinen, dem Ruhm, Erfolg und Ehrgeiz nicht Schüchternheit vor Damen genommen hätten. Er war mehr als dreißig. Im besten Alter für die Ehe. Er hatte eine Zukunft. Eine Frau, die hoch hinauswollte, konnte seinen Ehrgeiz nützlich machen. Elsa v. Schlieffen war in dem Alter, in dem man vernünftig denkt, und aus einer Familie, die zur Karriere verpflichtet.
»Warum heiraten Sie nicht?« fragte Benjamin Lenz. »Heiraten Sie«, drängte er.
Es war Zeit, Abschied von der Reichswehr zu nehmen. Wenn es nach denen in München gehen sollte, konnte man sein Leben lang bei der Reichswehr bleiben und Stabsoffizier werden. Trebitschs Stelle war schon besetzt. Man mußte sich umsehen. Was kam aus der Volkstümlichkeit des Tages? Ach! Es war ein kurzer Ruhm! Morgen ereignet sich Neues, und die Zeitungen sind undankbar. Man vergißt. Man macht vergessen.
Benjamin Lenz will an der Quelle sitzen, er braucht nicht beliebige Freunde, er braucht Männer in hohen Ämtern. Benjamin hat keinen Bedarf an kleinen Leutnants. Er will Berichte aus erster Hand; Einblick in einen wichtigen staatlichen Betrieb.
Theodor müßte heiraten. Dieser simple Theodor wird unter den Händen einer ehrgeizigen Dame höchste Ämter bekleiden. »Nützen Sie die Konjunktur aus!« sagte Benjamin.
Freilich konnte er nicht mehr Soldat sein. Wie war er gewachsen. Vor einem Jahr noch hätte er sein Leben als Offizier beschließen mögen.
Was war alles vor einem Jahr noch!
Armselige Zeit, Schinkensemmeln und Kaffee mit Haut bei Efrussi, Hülsenfrüchte einmal in der Woche und die »Weisen von Zion«. Anders, als es in dem Buche stand, waren die Zionweisen. Sie strebten nicht die Macht in Europa an. Sie hatten Verstand. Sie hatten Geld. Am größten war die Macht des Geldes. Aber es ließ sich nicht erobern. Längst wuchs Theodors Kapital nicht mehr, Benjamin Lenz sagte: »Verkaufen Sie! Wer an der Börse nicht heimisch ist, den bestiehlt sie. Wie die Zigeuner macht sie es.«
Benjamin sah es gern, wenn Theodor kein überflüssiges Geld hatte. Benjamin leiht seinen Freunden willig und bar. Er ist ein nobler Mensch, Benjamin Lenz. Er ist glücklich, wenn er Theodor helfen kann.
München hätte gern Theodor bei der Reichswehr gelassen. Aber er war heute nicht mehr abhängig wie einst. Er meldete sich krank. Er war ein Neurastheniker. Neurasthenie ist nicht nachweisbar, sagte Benjamin Lenz.
Theodor schied aus der Reichswehr. Eine intime Feier veranstaltete das Kasino. Er meldete seinen Austritt in München und bat um neue Aufträge.
Es war ihm, als hätte er letzte Hindernisse aus dem Wege geräumt.
XXIV
Eine Woche später verlobte er sich mit Fräulein v. Schlieffen. Geld für Geschenke, Blumen, eine Feier streckte Benjamin vor.
Unerschöpflich schienen Benjamins Gelder.
Fräulein v. Schlieffen tanzte nicht mehr. Auch ritt sie nicht mehr. Sie verlor plötzlich alle sportlichen Leidenschaften.
Sie saß zu Hause und stickte Monogramme auf Hemden, Unterhosen, Taschentücher.
Jeden Abend kam Theodor nach Potsdam.
Der erste Schnee fiel. Feuer brannte im Kamin.
Einmal brachte Theodor seine Schwestern mit.
Sie saßen stumm und knicksten vor der Tante und gingen. Sie waren betäubt von dem Klang des Namens: Schlieffen.
Theodors Mutter traute sich nicht einmal, nach der Braut zu fragen.
Längst war Theodor nicht mehr im Hause der geringschätzig Geduldete. Wie gut hatte es Gott gewollt, daß er Theodor am Leben gelassen hatte.
Wenn der selige Vater noch lebte! dachte die Mutter. Sie stickte auch Monogramme. Sie trieb mit einer roten Seide gereimte Sprüche in verschiedene Gegenstände.
Der große Hilper hatte jetzt das Ministerium für Inneres. Er kannte ja Theodor. Ob er ihn kannte.
Der Pressechef war jener kleine Redakteur des »Nationalen Beobachters«.
Allen gefiel Theodor. Er war ein gefälliger Mensch und bescheiden trotz allen Verdiensten. Auch besaß er Kenntnisse. Er schien mit der Presse
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