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Das Spinnennetz

Das Spinnennetz

Titel: Das Spinnennetz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Roth
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sterben.
    Es wurde Abend. Feuchte Finsternis hockte in den Straßen. Es ist ein Sieg der Ordnung.

XXIII
    Es war ein Sieg der Ordnung. Man stürzte zwei Minister. Sie wußten zuviel von den geheimen Organisationen. Man ernannte zwei neue. Sie wußten mehr. Aber es waren Freunde. Sie gehörten der Demokratischen Partei an. So schienen sie demokratisch. Aber sie waren Ehrenmitglieder des Bismarck-Bundes. Und sie standen in Verbindung mit München. Und sie hatten Angst vor den Arbeitern.
    »Vereiteln« war der technische Ausdruck für folgende Vorgänge: Spitzel drangen in Sekretariate und Parteibüros, die jeder kannte, und der Polizeibericht meldete eine »Aushebung geheimer Nester«. Spitzel stürzten sich auf einen Versammlungsredner, der harmlos war und ohne Bedeutung, und die Zeitungen schrieben, ein längst gesuchter bolschewikischer Spion sei endlich ergriffen worden. Seinen Namen kannte man, aber die Zeitungen teilten mit, den eigentlichen Namen des Verhafteten werde man schwerlich erfahren. Spitzel arrangierten Razzien in Arbeitervierteln, auf breite, schütternde Lastautos lud man zwei- und dreihundert. Die fremde Staatsbürger waren, das heißt aus den abgetrennten Gebieten Deutschlands stammten, wurden auf den Flugzeugplatz einquartiert, in Baracken, von Gendarmen bewacht und in Transporte eingeteilt, die nach den Grenzen gingen. In den Baracken lebten Tausende aus dem ganzen Reiche mit Kindern, Frauen, Großmüttern. Schmutz brachte Krankheiten. Krankheiten verursachten ein großes Sterben. Täglich starben einige, ehe der Transport zusammengestellt war. Durch jüdische Viertel schlichen Konfidenten, betrunkene Menschen, die von jedem Emigranten Geld forderten. Sie bekamen es. Zahlte der Jude nicht, so wurde er als bolschewikischer Spitzel in das Gefängnis geschleift zur polizeilichen Voruntersuchung. Sie dauerte ein paar Monate. Dann wurde der Jude, dessen Schiffskarte, dessen amerikanisches Visum verfallen war, wieder an die Grenze gebracht. Die Nationale Bürgerliga durfte Waffen tragen. Ihre Mitglieder schossen. Deutsche Prinzen legten Uniform an und fuhren durch die Städte. Alte Generale schepperten mit Orden und Sporen. Streikende Arbeiter, die vor den Betrieben standen, wurden von der Nationalen Bürgerliga gestochen, erschossen, geknüppelt. Die Zeitungen meldeten, daß die Arbeiter Passanten bedroht hatten und nur mit Waffengewalt auseinandergetrieben werden konnten. Wanderprediger zogen durch die Straßen. Sie sprachen von der nationalen Erhebung. Alle Bürger in den Geschäften, in den Kaufhäusern, in Fabriken, in Ämtern sprachen von der nationalen Erhebung. Sozialistische Zeitungen erwarteten jeden Tag neue Überfälle. Die Polizei kam zu spät und nahm Tatbestände auf.
    Es war ein Sieg der Ordung.
    Es erwies sich, wie nützlich Benjamin Lenz sein konnte. Der Journalist Pisk brachte einen Bericht über Theodor Lohse. Andere Journalisten baten um Interviews. Man zählte alle vergangenen Taten Theodor Lohses auf. Man erdichtete neue. Theodor Lohse lebte, überschüttet von Ruhm, von Journalisten bedrängt. Reiche jüdische Häuser luden ihn ein. Einmal kam er sogar zu Efrussi. Wie lang war das her! Wieviel hatte er erreicht! Jetzt stand er im Hause Efrussis, mit Politikern, Bankiers, Schriftstellern, ein Gast wie sie. Jetzt hätte er, ein Ebenbürtiger, mehr, ein Held in Uniform, ein Berühmter, der Frau Efrussi entgegentreten können. Aber jetzt klang ihre Stimme aus einer weiten Ferne herüber. Jetzt lächelte sie nicht mehr, verschwunden war ihre Güte, keine Wärme kam von ihr, sie nickte Theodor zu, er konnte kaum die Spitzen ihrer kühlen Finger berühren, und es war etwas wie ein Hohn in ihrem Gesicht, als wollte sie sagen: Ei, sieh den Theodor Lohse!
    Theodor konnte Frau Efrussi vergessen, wenn er mit Fräulein v. Schlieffen sprach, die mit ihrer Tante in Potsdam wohnte und sehr gut tanzen konnte. Theodor war kein Tänzer, auch im Sattel nahm er sich nicht besonders gut aus. Fräulein v. Schlieffen aber ritt jeden Morgen. Und obwohl ihr alle Offiziere der Garnison zur Verfügung standen, zog sie Theodor vor. Sie war sechsundzwanzig, eine Waise, aus berühmter Familie, aber ohne Geld. Der Vater hatte sein Leben als bescheidener Geheimrat, der Gesandtschaft in Sofia zugeteilt, beschließen müssen.
    Die Tochter war im Stift erzogen. Die Tante hatte immer für sie gesorgt. Jetzt war Zeit, sich um einen Mann umzusehen.
    Das wäre früher leicht gewesen. In der Republik wurde man eher

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