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Das Spinoza-Problem: Roman (German Edition)

Das Spinoza-Problem: Roman (German Edition)

Titel: Das Spinoza-Problem: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Irvin D. Yalom
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betreibt?«
    Erneutes Kopfschütteln.
    »Dann wird eines der Forschungsprojekte, die du vor deinem Abschluss vorlegen musst, darin bestehen, das Wesen der Ahnenforschung zu studieren und anschließend eine Suche nach deiner eigenen Herkunft durchzuführen.«
    »Eines meiner Projekte, Herr Direktor?«
    »Ja, es wird zwei Pflichtarbeiten geben, die meine sämtlichen Zweifel an deiner Befähigung zum Schulabschluss und deiner Befähigung zum Besuch des Polytechnikums ausräumen sollen. Nach unserer heutigen Unterhaltung werden Herr Schäfer und ich uns über ein weiteres erbauliches Projekt für dich unterhalten.«
    »Ja, Herr Direktor.« Allmählich geht Alfred die prekäre Lage auf, in der er sich befindet.
    »Sag mir, Rosenberg«, fährt Direktor Epstein fort, »wusstest du, dass gestern Abend auch jüdische Studenten auf der Versammlung waren?«
    Ein kaum merkliches Nicken von Alfred.
    Direktor Epstein fragt: »Und hast du deren Gefühle und deren Reaktion auf deine Worte, die Juden seien dieser Schule unwürdig, in Betracht gezogen?«
    »Ich glaube, dass ich in erster Linie dem Vaterland verpflichtet bin und dazu, die Reinheit der großen arischen Rasse zu bewahren, der kreativen Kraft in allen Zivilisationen.«
    »Rosenberg, die Wahl ist vorbei. Erspare mir deine Vorträge. Beantworte meine Frage. Ich fragte dich nach den Gefühlen der Juden unter deinen Zuhörern.«
    »Ich glaube, dass die jüdische Rasse uns vernichten wird, wenn wir nicht auf der Hut sind. Sie sind schwach. Sie sind parasitär. Der ewige Feind. Die Antirasse zu arischen Werten und arischer Kultur.«
    Überrascht von Alfreds heftiger Reaktion tauschen Direktor Epstein und Herr Schäfer besorgte Blicke aus. Direktor Epstein bohrt weiter.
    »Mir scheint, als wolltest du der Frage, die ich stellte, ausweichen. Ich will versuchen, unser Gespräch in eine andere Richtung zu lenken. Die Juden sind eine schwache, parasitäre, minderwertige, kleine Rasse?«
    Alfred nickt.
    »Dann sag mir, Rosenberg: Wie kann eine so schwache Rasse unsere allmächtige arische Rasse bedrohen?«
    Während Alfred eine Antwort zu formulieren versucht, fährt Herr Epstein fort: »Sag mir, Rosenberg, hast du bei Herrn Schäfer etwas über Darwin gelernt?«
    »Ja«, gab Alfred zur Antwort. »Im Geschichtsunterricht von Herrn Schäfer und auch im Biologieunterricht von Herrn Werner.«
    »Und was weißt du über Darwin?«
    »Ich weiß von der Evolution der Arten und vom Überleben der Tüchtigsten.«
    »Ach ja, die Tüchtigsten überleben. Nun hast du in deinem Religionsunterricht bestimmt das Alte Testament gründlich gelesen, nicht wahr?«
    »Ja, im Unterricht von Herrn Müller.«
    »Nun, Rosenberg: Dann wollen wir einmal die Tatsache betrachten, dass fast alle Völker und Kulturen, die in der Bibel beschrieben werden – und davon gibt es Dutzende –, inzwischen ausgestorben sind. Richtig?«
    Alfred nickt.
    »Kannst du mir einige dieser ausgestorbenen Völker nennen?«
    Alfred schluckt: »Phönizier, Moabiter … und Edomiter.« Alfred wirft einen Blick auf Herrn Schäfers nickenden Kopf.
    »Ausgezeichnet. Aber sie sind alle tot und verschwunden. Bis auf die Juden. Die Juden überlebten. Würde Darwin nicht behaupten, dass die Juden die Tüchtigsten von allen sind? Kannst du mir folgen?«
    Alfred antwortet blitzschnell: »Aber nicht durch eigene Kraft. Sie sind Parasiten und haben die arische Rasse sogar an noch größerer Tüchtigkeit gehindert. Sie überleben nur, weil sie die Kraft, das Gold und den Reichtum aus uns heraussaugen.«
    »Ach so, sie verhalten sich also nicht fair«, sagt Direktor Epstein. »Du willst damit sagen, dass es im großen Konzept der Natur Platz für Fairness gibt. Mit anderen Worten: Das edle Tier sollte sich in seinem Kampf ums Überleben weder tarnen noch aus dem Hinterhalt heraus jagen? Seltsam: Ich kann mich nicht erinnern, dass Darwin in irgendeiner Arbeit etwas über Fairness geschrieben hätte.«
    Alfred, verwirrt, sitzt stumm da.
    »Nun, lassen wir das«, sagt der Direktor. »Wenden wir uns einem weiteren Punkt zu: Sicherlich würdest du zustimmen, Rosenberg, dass die jüdische Rasse bedeutende Männer hervorgebracht hat. Denk nur an unseren Herrn Jesus, der als Jude geboren wurde.«
    Wieder antwortet Alfred schnell: »Ich habe gelesen, dass Jesus in Galiläa auf die Welt kam und nicht in Judäa, wo die Juden waren. Auch wenn einige Galiläer irgendwann begonnen haben, den jüdischen Glauben zu praktizieren, floss kein einziger Tropfen

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