Das Sterben der Bilder: Ein unheimlicher Roman aus dem alten Wien

Julius’ Erinnerung blitzte etwas auf.
    „Wohnst du hier?“, fragte er. Sein Kragen schien immer enger zu werden, aber er wusste nicht, woher dieses Unbehagen auf einmal kam. Johannas Mund verzog sich zu einem durchtriebenen Lächeln. Dann reichte sie ihm noch einmal ihre kleine lederbehandschuhte Hand.
    „Wenn du manchmal hier entlangspazierst, werden wir uns sicher öfter begegnen“, sagte sie leise, und ihr Mund kräuselte sich dabei voller Wissen und Verachtung. Dann drehte sie sich um und ging auf einen der Eingänge zu. Julius sah das Straßenschild an der Hauswand, aber seine Gedanken gerieten ins Stocken und bewegten sich nicht weiter. Bevor die Tür sich schloss, winkte Johanna ihm noch einmal zu, wie ein leichtherziges Mädchen nach einem unverbindlichen Rendezvous.
    Julius stand wie versteinert auf der Straße und starrte der grau gekleideten Gestalt nach, die in dem kleiner werdenden Türspalt verschwand. Dann riss er den Kopf herum und versuchte festzustellen, wo er sich befand. Er hatte, während er neben Johanna ging, nicht darauf geachtet, wohin ihn der Weg geführt hatte. Dann klärten sich seine wirbelnden Gedanken etwas, und er begriff. Er stand an der Kreuzung der Sterngasse mit der Marc-Aurel-Straße. Als wäre sein Körper an unsichtbaren Fäden aufgehängt, fiel ihm der Kopf in den Nacken. Sein Blick wanderte an der Fassade empor, bevor er im obersten Stock direkt unter der Kuppel hängen blieb. Die Fenster dort oben waren mit dunkelblauen Vorhängen verhängt. Nur in einem Fenster nahm er den Schemen einer Person wahr, die auf die Straße hinunterblickte. Erschrocken senkte er den Kopf und krallte die Finger ins Futter seiner Manteltaschen. Doch weil er sich so unsäglich feige vorkam, hob er den Kopf erneut und lieferte sich diesem Anblick aus. Diesem Anblick, der sein Herz stolpern und seinen Mund trocken werden ließ. Dieser Anblick Luise von Schattenbachs, wie sie dort oben hinter der Scheibe stand und vor Lachen bebte.
    ENDE

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Thriller
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    Ein umkämpfter Markt.
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    Kathrin Sand
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