Das sterbende Tier
Operation. Die Chemotherapie ist abgeschlossen. Sie hat mich gebeten, ihr die Schönheit ihres Körpers zu schildern. Darum hat es so lange gedauert. Das war es, was sie hören wollte. Das war es, worüber sie beinahe eine Stunde lang gesprochen hat. Über ihren Körper. Glaubst du, daß nach der Operation jemals noch ein Mann meinen Körper lieben wird? Das fragt sie mich immer wieder. Die Ärzte, müssen Sie wissen, haben beschlossen, die ganze Brust zu amputieren. Ursprünglich wollten sie nur einen Teil entfernen, doch jetzt halten sie die Sache für zu ernst. Also müssen sie eine Amputation vornehmen. Vor zehn Wochen haben sie ihr noch gesagt, sie müßten nur einen Teil entfernen, und jetzt sagen sie ihr, daß sie sie ganz abnehmen müssen. Wohlgemerkt: eine Brust. Das ist keine Kleinigkeit. Heute morgen haben sie ihr gesagt, was sie vorhaben, und jetzt ist es Nacht, und sie ist ganz allein, und was da auf sie zukommt... Ich muß gehen. Sie will mich bei sich haben. Sie will, daß ich bei ihr im Bett schlafe. Sie hat den ganzen Tag nichts gegessen. Sie muß etwas essen. Jemand muß sie füttern. Sie? Sie können bleiben, wenn Sie wollen. Sie können bleiben, Sie können gehen... Aber ich habe jetzt keine Zeit mehr, ich muß gehen!
»Tun Sie's nicht.«
Was?
»Gehen Sie nicht.«
Aber ich muß. Jemand muß bei ihr sein.
»Sie wird schon jemanden finden.«
Aber sie hat schreckliche Angst. Ich muß gehen.
»Denken Sie darüber nach. Denken Sie nach. Denn wenn Sie gehen, sind Sie erledigt.«
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