Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Sterneninferno

Das Sterneninferno

Titel: Das Sterneninferno Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
Vom Netzwerk:
sie hielt sich bereit, den Vorgang jederzeit zu unterbrechen. Instinktiv überprüfte sie Helm und Anzug. Wenn sich die Schleuse statt auf den Bahnsteig ins Vakuum öffnen sollte, würde die Kabine innerhalb von Sekundenbruchteilen luftleer sein. Ohne Druckanzug hätte keiner von ihnen den Hauch einer Chance. Die Kabine hielt an, und außen am Zylinder scharrten mechanische Kontakte und schlossen sich. Die Lichtanzeige über der Tür wechselte auf Grün. Charity legte das System mit dem Notschalter still. »Das war’s«, sagte sie überflüssigerweise. »Dubois, machen Sie die Tür auf.« Die Frau gehorchte wortlos, ihr Gewehr entsichert und im Anschlag. Vor ein paar Stunden noch hätte Charity sie deshalb gestoppt, aber nach dem Zwischenfall mit der Reinigungsmaschine sah sie keinen Grund mehr dazu. Sie selbst ertappte sich immer wieder dabei, sich an ihrer ramponierten Waffe festzuhalten, als böte sie irgendeine Sicherheit. Die Kabinentür glitt auf, und gleich darauf öffnete sich die Schleusentür zum Bahnsteig, der hell, großräumig und völlig verlassen vor ihnen lag. Charity trat neben Dubois und musterte mißtrauisch Boden, Decke und Wände. Die Plastikverkleidung hatte in den vergangenen sechzig Jahren weniger gelitten als in den fünf Jahren, die die Basis in menschlicher Hand gewesen waren, aber die früher weiße Farbe hatte inzwischen einen deutlich gelben Ton angenommen. »Achten Sie auf Schaumspuren«, sagte Charity, bevor sie an Dubois vorbei in die Schleuse trat. Die Frau hatte den scherzhaften Unterton offensichtlich nicht mitbekommen und sah irritiert hinter ihr her, und Charity hatte die Mündung von Dubois’ Waffe nicht mehr im Rücken, bevor diese die Fassung wiedergefunden hatte. Sie hörte Skudders Lachen über Funk und lächelte flüchtig, während sie im geisterhaften Licht ihrer Infrarot-Zielanzeige den Bahnsteig absuchte. Das kleine rechteckige Display war wie ein kleines Fenster in eine gefährlichere, fremdartige Welt, aber es zeigte nicht mehr als ein beruhigend gleichmäßiges, kaltes Blau. Neben ihr scharrten Stiefel über den Bahnsteig, und Dubois schloß zu ihr auf. Der Bahnsteig war nicht so groß wie der Terminal an der Kommandozentrale der MacDonald-Basis, aber er hatte die Ausmaße einer kleineren Sporthalle, und es gab auf der gegenüberliegenden Seite noch eine weitere Vakuumröhre. Mehrere Rolltreppen führten zu höhergelegenen und tieferen Ebenen, drei offene Fahrstühle mit fast vollständig verglasten Aufzugkabinen ragten in der Mitte der Halle wie eine tragende Säule zur Decke empor, die sich in zehn Meter Höhe öffnete. Laufbänder führten zu den sternförmig auseinanderlaufenden Gängen, die neben den Transportbändern auch noch vier Meter breite Gehsteige für Fußgänger und eine abgeteilte Bahn für die kleinen sechsrädrigen Elektrofahrzeuge aufwiesen. Trotzdem waren die Bahnsteige während der Schichtwechsel vor sechzig Jahren ständig überlastet gewesen. Es erinnerte sie daran, wie viele Menschen es hier einmal gegeben hatte, die große Hoffnungen auf die unwirtliche Rückseite des Mondes geführt hatten. Charity dachte an ihre eigenen Hoffnungen, die sie veranlaßt hatten, mehrere Jahre ihres Lebens in diesem Getriebe zu verbringen, und spürte plötzlich einen schalen Geschmack auf der Zunge. »Alles in Ordnung«, sagte sie laut und bedeutete Dubois mit der Hand, auf die andere Seite der Halle zu wechseln. »Beeilt euch. Ich will hier nicht zu lange bleiben. Schließlich hat uns irgend jemand hier angehalten, und ich nehme an, daß er sich dabei etwas gedacht hat.« »Verstanden«, antwortete Harris geschäftsmäßig und duckte sich hinter ihr durch die Schleuse, seine Schritte ein wenig schwankend unter der Masse der Bombe. Er trug seinen Tornister mit der Luftversorgung in der Hand, weil er seine tödliche Last direkt an die Tragegurte seines Anzugs hatte hängen müssen. Estevez folgte direkt hinter ihm. Charity versuchte, die verblichenen Beschriftungen an den Wänden zu identifizieren. Eine dieser Röhren führte direkt zum Zentralbereich und die beiden angrenzenden in die unmittelbare Nähe. Ihr Instinkt sagte ihr, daß es keine gute Idee sein dürfte, es mit dem direkten Weg zu versuchen. Sie erkannte einen der Boulevards parallel zur Vakuumröhre und gleich darauf den anderen, den sie gesucht hatte. »Wohin?« fragte Skudder, der die anderen überholt hatte und neben ihr stehengeblieben war, während Henderson als letzter die Kabine

Weitere Kostenlose Bücher