Das Stockholm Oktavo
bieten, und noch weniger wird deren Rat befolgt, wie Sie gesehen haben. Aber er ist ein großartiger König, Herr Larsson.«
»Ein großartiger König«, wiederholte ich. »Und er hat ganz sicher recht, Madame Sparv. In Bezug auf die Vision, meine ich. Sein Verständnis der Welt übersteigt Ihres bei Weitem.«
»Dennoch ist er ein Mann. Er sieht, was er sehen will.« Sie lehnte sich mit geschlossenen Augen zurück, als wollte sie gleich einschlafen. »Doch kommen wir jetzt am besten wieder zu Ihnen«, nuschelte sie und rieb sich die Augen. Wir gingen die Stiege hinauf und setzten uns an den Tisch. Sommerregen prasselte gegen die Scheiben, im Zimmer war es kühler als in der Nacht zuvor. Sie nahm die beiden bekannten Karten aus dem Stapel, mischte lange und legte das Deck dann in die Mitte des Tischs.
Ich hob ab, sie legte aus. Nach vier Runden tauchte die zweite Karte meines Oktavos auf: Der Gefangene war das Ass der Stempelkissen. Wir beugten uns vor und studierten die Karte.
In der Mitte am oberen Rand eines Wappenschilds sah man das Antlitz eines Cherubs. Unter seinem Kinn schwebte ein Vogel. Zwei Löwen standen sich in getrennten Feldern gegenüber, einer hielt eine keimende Saat oder einen Wurzelstock in den Tatzen.
»Das Ass ist ein junger Mensch oder einer mit begrenzter Erfahrung und formbarem Geist. Es steht für einen Neubeginn und kann weiblich oder männlich sein«, sagte sie.
»Rohrkolben. Die stehen auf jeden Fall für Armut«, sagte ich, als ich die zwei Pflanzen sah, die zu beiden Seiten des Stempelkissens über dem Engelskopf in die Höhe ragten. Ich dachte an meine verarmten Cousins; alle Rohrkolben, die sie nicht aßen, verwendeten sie als Kerzen, indem sie sie in Wachs tauchten und den Stiel wie einen Docht anzündeten.
»Nicht notgedrungen. Das Stempelkissen steht für Handel und Wandel, es kann also jemand sein, der aus wenigen Mitteln etwas machen kann. Er steht in enger Verbindung mit Ihrem Gefährten – und die Königin der Weingefäße symbolisiert Reichtum –, also kann er von der Freundschaft mit ihr profitieren. Jedenfalls ist das Ihr Gefangener.«
Ich sah den hübschen Cherub an. »Könnte das Carlotta sein?«
»Vielleicht. Aber die Karten verraten ihre lebenden Pendants erst, wenn alle acht an ihrem Platz sind.«
»Ich kann nicht warten, Madame Sparv!«
»Sie müssen. Noch weitere sechs Tage.« Sie lächelte über meine Ungeduld. »Sie sind ja nicht zusammen mit Gustav im Aufbruch zur französischen Königsfamilie begriffen, oder, Herr Larsson?«
»Meine Königin ist hier in der Stadt.«
»Wenn Sie sich sicher sind, können Sie Ihren Gefangenen halten oder freilassen, je nachdem, was am besten zu Ihrem wahren Ziel führt, was auch immer es sei.«
»Ich kenne mein wahres Ziel.«
Kapitel 5
Glücksspiel
Quellen: E. L., Madame S., Katarina E., Dame C. Kallingbad, Hausmeister E., A. Nordell u.a.
Man kann mit Fug und Recht behaupten, dass beim Kartenspiel alle verlieren. Interessant ist, wie und was sie verlieren und was daraus folgt. Graf Oxenstierna verhielt sich wie ein perfekter Gentleman, als er bei dem Spiel La Belle zwei große Grundstücke verlor. Die Mitspieler waren erstaunt über seine Contenance, doch der Sturm, der daraufhin bei ihm zu Hause losbrach, war monatelang ein ergiebiges Gesprächsthema, das seine Gattin, seine erwachsenen Kinder, ein Teil der Bediensteten und die Irischen Wolfshunde umfasste. Doch versteckte Andeutungen und Gerüchte sind nur eine kärgliche Labsal, verglichen mit dem mitreißenden Festmahl eines großen Verlustes, dessen Augenzeuge man wird. So war es, als ich zwei wohlhabende Damen kostbarste Faltfächer am Spieltisch setzen sah. Deutlich hörte ich eine Kartenspielerin, die auf einen Bluff hereinfiel, und in diesem Moment schenkte ich meine Aufmerksamkeit dem Spiel, statt mich mit jeder Faser meines Seins auf Carlotta Vingströms schöne Brüste zu konzentrieren. Bei der Spielerin, die das Wagnis eingegangen war, handelte es sich um die Baroness, allen bekannt als »die Uzanne«, eine Frau, die nie verlor.
Ich will Ihnen von der Uzanne erzählen. Getauft war sie auf die Namen Kristina Elisabeth Luisa Gyllenpalm, die zwar alle einen majestätischen Anklang hatten, aber nie benutzt wurden. Als Kind war sie das Junge Fräulein, nach ihrer Heirat eine Madame. Doch im Gespräch hieß sie immer nur die Uzanne, vielleicht weil es nur eine geben konnte. Die Uzanne sammelte Faltfächer. Diese Begeisterung hatte sie mit
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