Das Stockholm Oktavo
aber nichts Merkwürdiges feststellen, außer dass es mir in diesem Zimmer übermäßig warm vorkam. »Kann ich das Fenster einen Spalt öffnen?«, fragte ich leise.
»Schsch!«, zischte sie mich an, dann legte sie die dritte Runde.
»Da ist sie!« Ich spürte das Prickeln, das alle Spieler kennen, wenn die Karte kommt, auf die sie gewartet haben.
»Ihr Gefährte.« Madame Sparv legte die Dame der Weingefäße auf die erste Position im Diagramm und lehnte sich zurück. Sie lächelte nicht mehr wie ein Mädchen auf der Suche nach einer Liebschaft. »Der Gefährte, in diesem Fall eine Sie, ist von entscheidender Bedeutung, denn die acht anderen kreisen auf ihrer Bahn. Sie wird in Ihrem Leben, in Ihren Gesprächen, Ihren Träumen auftauchen. Sie wird von Ihnen angezogen und Sie von ihr. Sie können zusammenarbeiten oder Widersacher sein.«
»Ich bin sicher, dass wir ein harmonisches Paar werden«, sagte ich.
»Die Dame der Weingefäße ist eine Frau mit Macht und Möglichkeiten, die Weingefäße stehen für Überfluss. In der Regel für Geld. Allerdings kann jeder Karte die Rolle eines Wohltäters oder aber eines Gegners innewohnen. Sehen Sie den nicht passenden Ärmel? Die abgestreiften Handschuhe? Dort ist der rankende Wein der Verstrickungen. Mit anderen Worten: Seien Sie vorsichtig!«
»Ich fühle mich ziemlich sicher, Madame Sparv. Denn könnte der Ärmel nicht einfach nur modisch sein, und könnte sie die Handschuhe nicht abgestreift haben, damit ich ihre warme Hand ergreife? Der rankende Wein ist die reiche Ernte, das Gefäß bringt einen berauschenden Wein an meinen Tisch, wahrscheinlich aus Vingströms Kellerei«, sagte ich und sah Carlottas vollen, weichen Mund vor mir.
»Nicht so übermütig, Herr Larsson«, schnaubte Madame Sparv. »Das hier hat nichts mit den Kartenspielen zu tun, die Sie kennen. Der Gefährte kann Sie zur Liebe führen, ohne zwingend selbst der Liebende zu sein. Wir müssen noch weitere sieben Personen treffen.«
»Aber sie könnte es sein.«
»Ja, sie könnte es sein«, sagte sie widerwillig. Sie nahm das ganze Deck und setzte es mit dem Bild nach unten mitten auf das Diagramm.
»Sind wir etwa schon fertig?«, fragte ich zu laut für dieses intime Beisammensein.
»Das Ritual schreibt vor, die Karten bis zum folgenden Tag ruhen zu lassen, sobald eine Position ausgefüllt ist.«
»Aber es ist Ihre Erfindung. Sie können das Ritual ändern, wenn es Ihnen beliebt.«
»Das Ritual kommt durch mich, nicht von mir. Es kommt vom Göttlichen. Oder vielleicht von den Karten selbst. Ich weiß es nicht. Das Oktavo erfordert acht aufeinanderfolgende Nächte. Morgen und in den sechs kommenden Nächten treffen wir uns wieder.« Sie nahm Feder und Tinte aus der Tischschublade und notierte sich meine persönliche Karte und die meines Gefährten in einer dünnen, ledergebundenen Kladde. »Kommen Sie gegen elf Uhr«, sagte sie und löschte die Tinte mit Sand aus einem Streuer.
»Ich soll wirklich jede Nacht kommen?«, fragte ich.
»Ja, Herr Larsson, Sie haben einen Schwur geleistet.«
»Ihre Stammbesucher haben sicherlich keine Geduld für ein so langwieriges Spiel …«
Sie lachte und ging zu ihrer Tonpfeife und dem Zündstein auf der Anrichte. »Für jemand, der nur neugierig ist, würde ich das Oktavo niemals legen. Das wäre so, als verlangte man von einer Schankwirtin, wie ein Alchimist zu denken. Die Sache ist viel zu ernst. Und es steht zu viel auf dem Spiel.«
»Und was steht auf dem Spiel?«
Sie zündete mit dem Zündstein eine Kerze an, hielt sie an ihre Pfeife und saugte am Mundstück, um die Flamme in den Pfeifenkopf zu ziehen. Sie sog den Rauch ein, blies aber nur einen einzelnen Ring wieder aus. »Liebe, Herr Larsson«, sagte sie mit einem dünnen Lächeln auf den Lippen. »Liebe und Verbundenheit.«
Kapitel 4
Die beste Empfehlung
Quellen: E. L., Madame S., Katarina E.
Nachdem die Dame der Weingefäße erschienen war, fühlte ich mich ermutigt, Carlotta am nächsten Morgen einen Brief zu schreiben; die Antwort kam mit der Nachmittagspost. Sie schrieb, sie finde meine geheimnisvolle Geschichte mit den Acht verlockend und meine Feder energisch und wolle mir bald Zeit und Ort nennen, wo wir uns treffen könnten. Bereits ein Fortschritt auf dem goldenen Weg! Meinem Vorgesetzen und den Kollegen auf dem Amt berichtete ich, dass ich einen ehelichen Fang am Haken hätte und wir dies bald mit einem kräftigen Punsch feiern würden. Als der Abend kam, konnte es für mich
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