Das Stonehenge-Monstrum
seitlichen Öffnungen schauten seine Arme wie starke Stempel hervor. Eine sehr enge Hose umschloß seine Beine, aber eine Waffe hielt er nicht in der Hand. Cortez erinnerte mehr an ein wachsames Tier, wie er vor der Öffnung stand, breitbeinig und sprungbereit, die Arme etwas vom Körper weggestemmt. Ich mußte was tun, denn mir war klar, daß er nur nach links zu schauen brauchte, um mich zu sehen.
Meine Beretta hatte ich gezogen. Als Cortez den Kopf in die andere Richtung drehte, nahm ich meine Chance wahr, ging zwei Schritte nach vorn und stand plötzlich sichtbar vor ihm.
Er sah, er wollte reagieren, und er hörte meine Stimme, während er gleichzeitig die Waffe sah, die auf ihn zeigte. »Tu es lieber nicht, Cortez!« flüsterte ich.
Auch in dieser Düsternis konnte er das Schimmern des Metalls nicht übersehen. Für einen Augenblick war er starr. Dann grinste er. Den Grund kannte ich nicht. Möglicherweise war er zu überrascht und zeigte sich auch verunsichert.
»Das habe ich mir gedacht!« flüsterte Cortez.
»Ja, es war ganz einfach.«
Er leckte seine Lippen. »Was wollt ihr machen? Mich erschießen? Okay, das könnt ihr, aber ich sage euch gleich…«
»Komm näher!«
Er kam, dann sah er, wie sich auch Suko aus seiner Deckung löste und auf ihn zuging. Der Gesichtsausdruck meines Partners mußte ihm wohl nicht gefallen haben, denn Cortez trat ängstlich einen Schritt zurück, blieb aber ansonsten still.
»Wo sind die anderen?«
»Welche?«
Durch die Nase holte Suko Luft. »Ich will von dir vernünftige Antworten haben und nicht einen so großen Mist hören. Du weißt genau, wen ich meine, Cortez.«
»Nicht da.«
»Überhaupt nicht?«
Er hob die Schultern. »Ich konnte es nicht mehr erwarten und bin gegangen. Geht doch zurück und schaut hinter jedem Menhir nach. Vielleicht findet ihr den einen oder anderen, aber tut es bald, denn sonst wird euch das Licht zerstrahlen. Es tötet diejenigen, die nicht dafür sind. Den anderen aber gibt es Kraft.«
»Von welch einem Licht redest du?« fragte Suko. »Ich sehe keins. Hier ist es dunkel.«
»Wetten, daß es sich bald ändert?«
»Du erwartest das Monstrum, nicht?«
»Genau. Ich erwarte es, denn in dieser Nacht werde ich durch das Licht der Sterne getauft. Gestern haben wir nur ein Vorspiel erlebt, da kann ich nur lachen. Die Stunden heute sind wichtig. Da wird sich die alte Energie des Monstrums auf uns verteilen, und wir freuen uns darüber. Wir sind glücklich, wir lieben es.«
»Es fragt sich nur, ob ihr es überleben werdet. Mit Whisper haben wir andere Erfahrungen gemacht.«
»Hör mir mit ihm auf. Er mußte der Sache wegen geopfert werden. Wir aber sind hier, versteht ihr? Wir halten uns im Zentrum auf. Ihr werdet erleben, wie sich das Sternenlicht auf diese einzelne Stelle konzentriert. Ihr werdet ein anderes Stonehenge zu sehen bekommen, und es wird der letzte Eindruck sein, den ihr mit ins Grab nehmt. So und nicht anders wird es ablaufen, ich kenne das.«
Cortez hatte sehr überzeugend gesprochen, das mußte ich leider zugeben. Ich glaubte auch daran, daß dieser Mensch im festen Glauben war, alles so zu erleben, wie er es sich wünschte. Meine Beretta beeindruckte ihn überhaupt nicht. Er schaute weder mich noch Suko an, sondern hatte den Kopf in den Nacken gelegt und blickte gegen den Himmel, als würde er dort etwas Bestimmtes suchen. Auch finden?
Ich wußte es nicht genau, denn noch war von dem Stonehenge-Monstrum nichts zu sehen. Der Himmel sah völlig normal aus. Er war noch nicht richtig dunkel, aber die Sonne war bereits untergegangen. Ein dunkles Schiefergrau bedeckte eine Fläche, auf der sich nur wenige Wolken verteilten. Cortez schaute noch immer hoch. Er hatte nur seine Haltung verändert und die eines Betenden angenommen, der kurz davor stand, auf die Knie zu fallen. Er hatte seine Arme ausgestreckt, als wollte er in den Himmel greifen und sich daran festklammern. Auch ich blickte hoch. Die Waffe hatte ich weggesteckt und damit meinem Gefühl gehorcht. Sie kam mir einfach lächerlich vor. Suko blickte ebenfalls zum Himmel, denn auch er spürte, daß das große Ereignis dicht bevorstand. Cortez meldete sich. Uns hatte er vergessen. Seine Worte sprach er ins Leere, sie galten mehr ihm selbst, aber sie waren gleichzeitig so etwas wie ein Anrufen.
»Er kommt! Ich spüre ihn! Er ist da! Er schwebte über uns. Die Vergangenheit wird zur Gegenwart. Ich lerne die Urkräfte des Seins kennen. Ich warte auf dich, ich
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